Medizin

Erreger der Justinianischen Pest vermutlich ausgestorben

  • Dienstag, 28. Januar 2014
Uploaded: 28.01.2014 19:16:17 by mis
Yersinia pestis /picture-alliance

Hamilton/Ontario – Die moderne Gentechnik macht es möglich. Ein Wissenschaftlerteam hat das Erbgut des Pesterregers Yersinia pestis aus den Zähnen von zwei Opfern rekonstruiert, die im sechsten Jahrhundert auf einem Friedhof in Bayern beigesetzt wurden. Die Publikation in Lancet Infectious Diseases (2014; doi: 10.1016/S1473-3099(13)70323-2) zeigt, dass der Erreger der Justinianischen Pest sich genetisch stark vom Auslöser des Schwarzen Todes im Mittelalter und den heutigen Bakterien unterscheidet.

Ganz ungefährlich ist Y. pestis auch heute nicht. Eine Infektion kann in der heutigen Antibiotika-Ära durchaus tödlich verlaufen: Die US-Regierung stuft den Erreger als biologischen Kampfstoff der Kategorie A ein. Auf Madagaskar starben kürzlich bei einem Ausbruch 20 Einwohner eines Dorfes innerhalb einer Woche. Eine verheerende Katas­trophe wie in den Jahren 541 bis 543 ist derzeit nicht zu befürchten. Die Bevölkerung des römischen Reiches soll damals um die Hälfte gefallen sein, wenn der Augenzeuge Procopius nicht übertrieben hat. Die Justinianische Pest wird unter Historikern als ein Grund für den Untergang des römischen Reiches diskutiert.

Eine Wiederholung der Katastrophe wäre schon deshalb nicht möglich, weil der damalige Erreger ausgestorben ist. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Hendrik Poinar vom Ancient DNA Centre der McMaster Universität in Hamilton im kanadischen Bundesstaat Ontario zusammen mit Forschern aus den USA und Australien. Das Team konnte aus den Zähnen von zwei Personen, die auf dem Friedhof in Aschheim-Bajuwarenring (nordöstlich von München) beigesetzt wurden, genügend DNA gewinnen, um das Genom des Erregers zu rekonstruieren. Es ist damit der älteste genetisch entschlüsselte Erreger.

Da vor vier Jahren auch die Erreger der Beulenpest des Mittelalters sequenziert werden konnten und der genetische Bauplan des heutigen Erregers schon seit 2001 bekannt ist, konnten die Forscher Vergleiche anstellen. Während der Pesterreger des Mittelalters noch Verwandtschaft zum heutigen Erreger hat, lässt sich der Erreger der Justinia­nischen Pest nicht in den Stammbaum einfügen.

Erreger der Justinia­nischen Pest ausgestorben
Die Unterschiede waren zu groß, berichten die Forscher. Sie glauben deshalb, dass der Erreger etwa im achten Jahrhundert ausgestorben ist. Nach der Justinianischen Pest hat es nach Einschätzung heutiger Medizinhistoriker im Abstand von 8 bis 12 Jahren immer wieder kleinere Epidemien gegeben. Danach ist der Erreger verschwunden, warum ist unklar. Klimatische Gründe können eine Rolle gespielt haben. Der Pest gingen Jahre mit ungewöhnlich starken Regenfällen voraus. Ihr Ende könnte eine Trockenperiode ausge­löst haben. Diese Phänomene wurden laut Poinar auch bei den beiden folgenden Pest-Pandemien beobachtet.

Die Justinianische Pest wird heute als erste von drei Pest-Pandemien bezeichnet, die zweite war der Schwarze Tod des Mittelalters, die die Bevölkerung Europas dezimierte. Die dritte Welle begann 1894 in der chinesischen Provinz Yunnan, tötete schätzungs­weise 12 Millionen Menschen und ermöglichte es dem französischen Arzt Alexandre Yersin den heute nach ihm benannten Erreger zu identifizieren. Ob die Pest von Athen aus den Jahren 430 bis 426 v. Chr. und die Antoninische Pest in den Jahren 165 bis 180 nach der Zeitenwende auf Yersinien zurückzuführen ist, muss dagegen mangels Präparaten aus der Zeit offen bleiben.

Da heute Antibiotika verfügbar sind, die gegen Y. pestis wirksam sind, ist eine neue Pandemie nicht ernsthaft zu befürchten. Das plötzliche Auftauchen (und Verschwinden) hochvirulenter Erreger bleibt jedoch rätselhaft und Poinar hält es deshalb nicht für ausgeschlossen, dass neue Varianten von Y. pestis auftreten könnten.

rme

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