Erstmals einheitlicher Konsens zur Bestimmung von Gebrechlichkeit

Berlin – Europäische Fachgesellschaften für Herzchirurgie und Prävention haben gemeinsam ein Konsensuspapier zur perioperativen Bestimmung von Gebrechlichkeit (Frailty) entwickelt. Darin fasst eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe konkrete Messgrößen zusammen, die das Ausmaß von Gebrechlichkeit zur Vorhersage von Komplikationen und Mortalität gemäß aktueller Datenlage am besten widerspiegeln (European Journal of Cardio-Thoracic Surgery 2023, DOI: 10.1093/ejcts/ezad181).
Gebrechlichkeit ist ein Risikofaktor für Komplikationen und erhöhte Mortalität bei vielen medizinischen Interventionen, zum Beispiel in der Onkologie und Chirurgie. Bisher etablierte Algorithmen zur Abschätzung des perioperativen Risikos chirurgischer Eingriffe wie zum Beispiel der EuroSCORE II (European Journal of Cardio-Thoracic Surgery 2012; DOI: 10.1093/ejcts/ezs043) und der Society of Thoracic Surgeons (STS) Risk Score (Annals of Thoracic Surgery 2018; DOI: 10.1016/j.athoracsur.2018.03.002 und DOI: 10.1016/j.athoracsur.2018.03.003) greifen laut Konsensuspapier zu kurz.
Beide Scores berücksichtigen nach deren Einschätzung, die besonderen Konstellationen im Alter aus Komorbidität, physiologischen Besonderheiten und anderen altersbedingten Risikofaktoren, nicht ausreichend genug.
Jetzt haben Experten einen fachgebietsübergreifenden Konsens gefunden, wie das Ausmaß von Gebrechlichkeit umfassend und einheitlich bewertet werden kann, bevor herzchirurgische Maßnahmen oder Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) umgesetzt werden.
Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der aus Herzchirurgie, Kardiologie, Anästhesiologie, Geriatrie und der Biostatistik haben in interdisziplinärer Zusammenarbeit evidenzbasiert ein entsprechendes Verfahren erarbeitet und zusammengefasst (siehe Infobox).
Eine Kernaussage des Positionspapiers lautet außerdem, dass die Beurteilung der Gebrechlichkeit, die Interpretation der Ergebnisse und deren Berücksichtigung bei den Behandlungsentscheidungen stehts interdisziplinär diskutiert werden sollten.
Auch an dieser Stelle zeige sich, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit der bestmögliche Ansatz für die Patientinnen und Patienten und deren Sicherheit sei, betonte der Präsident der herzchirurgischen Fachgesellschaft Volkmar Falk, ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) Universitätsmedizin Berlin.
Als relevante Fachgruppen für das interdisziplinäre Assessment nennen die Autoren des Positionspapiers zum Beispiel Geriater, Anästhesisten, Kardiologen und Herzchirurgen.
„Wir wollen nachhaltig dazu beitragen, dass Ergebnisse in der Frailty-Forschung belastbar verglichen und klinische Behandlungsstandards weiter etabliert werden können. Auf diesem Weg sind wir nun einen großen Schritt weitergekommen," schilderte Co-Leiter der Arbeitsgruppe und Erstautor der Publikation in EJCTS Simon Sündermann, Oberarzt an der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (CVK) an der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Das gemeinsame Positionspapier der beiden europäischen Fachgesellschaften der Herz-/Thoraxchirurgen (EACTS, European Association for Cardio-Thoracic Surgery) und der Präventiv-Kardiologen (EAPC, European Association of Preventive Cardiology) wurden auf dem Jahreskongress der EACTS 2023 in Lissabon (Portugal) vorgestellt und in zwei Fachjournalen (European Journal of Cardiothoracic Surgery, EJCTS) und European Journal of Preventive Cardiology, EJPC) publiziert.
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