Vermischtes

Erwartungen der Patienten bedeutsam für Qualität der Indikationsstellung

  • Montag, 18. November 2024
/Monstar Studio, stock.adobe.com
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Berlin – Die Indikationsstellung ist die Schlüsseldimension der Behandlungsqualität. Gleichzeitig gilt für die elektive Endoprothetik, dass die Indikationsstellung überwiegend individuell und damit relativ ist, da sie die Patientenperspektive berücksichtigen muss.

Das erklärte Christian Kralewski vom KCQ – Kompetenz-Centrum Qualitätssicherung beim Medizinischen Dienst Baden-Württemberg kürzlich auf der 15. Qualitätssicherungskonferenz des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Berlin.

„In der elektiven Endoprothetik sind – neben technischen Befunden – individuelle Patientenfaktoren für die Indi­kationsstellung relevant“, erklärte Kralewski und zitierte den früheren Vorsitzenden der Zentralen Ethikkommis­sion der Bundesärztekammer, Urban Wiesing, mit den Worten: „Der komplexe Prozess der individuellen Indika­tionsstellung scheint nicht vollständig ‚mathematisierbar‘.“

Zugleich gibt es Initiativen in Deutschland, um die Qualität der Indikationsstellung systematisch zu verbessern, zum Beispiel im Bereich der Endoprothetik. So berichtete Jörg Lützner von der Deutschen Gesellschaft für Ortho­pädie und Unfallchirurgie (DGOU) von der Erstellung der S2k-Leitlinie „Indikation Knieendoprothetik“, die vor etwa zehn Jahren zusammen mit den Krankenkassen erstellt wurde.

„Zunächst prüfen wir, ob die Mindestvoraussetzungen für eine Operation vorliegen“, sagte Lützner. Dazu gehöre zum Beispiel das Vorliegen einer Arthrose vom Grad 3 oder 4. Patienten mit einem geringeren Grad profitierten von einer Endoprothese nur wenig, so Lützner.

Alternative Therapieoptionen benennen

Gemäß Leitlinie prüfen die Ärztinnen und Ärzte, wie ausgeprägt der Leidensdruck der Patienten ist und ob es Alternativen zu einer Operation gibt. Auch Lützner betonte, wie wichtig die individuelle Situation der Patienten für eine gute Indikationsstellung ist.

„Es ist wichtig, den Leidensdruck der Patientinnen und Patienten zu kennen“, sagte Lützner. „Es gibt Fälle von schwerer Arthrose, die aber mit nur milden Beschwerden einhergehen.“ Wichtig sei auch zu wissen, wie groß die Einschränkungen sind und wie stark die Schmerzen.

„Wir besprechen mit den Patienten dann, ob eine OP eine geeignete Therapie ist, um die Beschwerden zu lindern“, erklärte Lützner. „Und wir erklären die alternativen Therapiemöglichkeiten, zum Beispiel eine Kombination aus einer medikamentösen und einer nicht medikamentösen Behandlung.“

Erwartungen der Patienten kennen

Auch das Vorliegen von Kontraindikationen wird geprüft: bei Knieendoprothesen zum Beispiel ein Body-Mass-Index (BMI) von über 40. „Je höher der BMI ist, desto höher ist das Risiko, dass der Patient kurzfristig wieder operiert werden muss“, so Lützner. „Wenn es sich um eine schwere Arthrose handelt und der Leidensdruck groß ist, sollte man aber auch Patienten mit einem BMI von über 40 eine Endoprothese nicht vorenthalten.“

Besonders wichtig sei es, im Vorfeld abzuklären, was die Patientinnen und Patienten von einer Operation erwarten. Denn die Zufriedenheit der Patienten nach der Operation hänge stark davon ab, welche Erwar­tungen sie zuvor gehabt hätten.

Ein Anreiz zur Erstellung der Leitlinie waren Lützner zufolge auch die vielen Medienberichte über eine zu hohe Zahl von Hüft- und Knieoperationen in Deutschland. Auch vor diesem Hintergrund gründete sich 2019 in Ost­sachsen ein Indikationsboard, in dem seither – analog zu Tumorboards – im Rahmen eines Peer Reviews Fälle besprochen werden, in denen der Einsatz einer Endoprothese nicht eindeutig ist. An dem Indikationsboard nehmen Ärztinnen und Ärzte aus sieben Einrichtungen in Ostsachsen statt: großen wie kleinen.

Seit 2019 seien bis heute elf Indikationsboards durchgeführt worden, erklärte Lützner, in denen 55 Fälle besprochen wurden sowie zehn Follow-ups. Die Fälle werden mithilfe einer Powerpointpräsentation vor­gestellt. Auch Infektiologen oder Radiologen nehmen an den Besprechungen teil.

„Gerade für die kleinen Häuser sind die Indikationsboards eine ideale Möglichkeit, bei schwierigen Indi­kationen die Fälle auch juristisch auf eine sichere Bahn zu bringen“, erklärte Lützner. Die AOK Plus finde die Indikations­boards gut. Bislang gebe es jedoch keine finanzielle Unterstützung.

fos

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