Politik

Ethikberatung bei nicht medizinischer Forschung am Menschen wird immer wichtiger

  • Freitag, 15. November 2024
/HockleyMedia24, peopleimages.com, stock.adobe.com
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Berlin – Die Zahl der Forschungsvorhaben zu Themen wie der Mensch-Technik-Interaktion und der Künstlichen Intelligenz (KI) nimmt rasant zu und damit auch der Bedarf an forschungsethischer Beratung. Der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen (AKEK) hat auf diese Entwicklung reagiert und widmete seine gestrige 42. Jahrestagung in Berlin der Ethikberatung bei nicht medizinischer Forschung am Menschen.

„Während Ärztinnen und Ärzte in Deutschland durch die ärztliche Berufsordnung verpflichtet sind, für jede Forschung am Menschen ein Ethikvotum einzuholen, gibt es für nicht medizinische Forscherinnen und Forscher – etwa in den Sportwissenschaften, der Soziologie oder den Ingenieurwissenschaften – keine solche Verpflichtung“, erläuterte Georg Schmidt, Vorsitzender des AKEK, dem Deutschen Ärzteblatt ().

Auf der Tagung bestätigten Mitglieder medizinischer Ethikkommissionen: Zunehmend würden sie von nicht medizinischen Forschenden angefragt und aufgrund ihres Know-hows und ihrer etablierten Strukturen gebeten, „Amtshilfe“ auch bei nicht medizinischen Forschungsvorhaben zu leisten. Denn Förderorganisationen, wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Bundesministerien oder Forschungsjournale, verlangten zunehmend auch im nicht medizinischen Bereich ethische Voten bei der Förderung und Veröffentlichung von Studiener­gebnissen.

„Diese Entwicklung ist wichtig, denn auch die nicht-medizinische Forschung am Menschen kann potenziell ge­fährliche oder ethisch und rechtlich sensible Aspekte haben – man denke nur an die Entwicklungen in der Robotik oder der künstlichen Intelligenz“, so Schmidt.

Deshalb hätten sich bislang die medizinischen Ethikkommission auch diese Themen angeschaut und beurteilt. Doch es würden von Jahr zu Jahr mehr. „Allein an der TUM gibt es mittlerweile rund 150 Studien pro Jahr im nicht medizinischen Bereich“, so Schmidt. Deshalb habe man unter dem Dach der Medizinischen Ethikkommission eine zweite, unabhängige Spruchkammer mit eigener Satzung etabliert.

Diese neue nicht medizinische Fachgruppe der Ethikkommission, deren Mitglieder aus den Bereichen Manage­ment, Sozial-, Natur- und Ingenieurwissenschaften kommen, bewertet technische und gesellschaftliche Rahmen­bedingungen der Forschungsansätze und fordert Nachbesserungen ein, wenn dies nötig ist.

„Es geht uns vor allem darum zu prüfen, ob ein Versuch unter dem Gesichtspunkt der guten wissenschaftlichen Praxis sauber durchgeführt wird“, erläuterte der Leiter der nicht medizinischen Fachgruppe der Ethikkommission an der TUM, Klaus Bengler, auf der AKEK-Jahrestagung.

Hauptsächlich stünden die Methodik und möglichen Folgen eines Forschungsprojekts für Menschen, Tiere und Umwelt im Fokus der Betrachtungen, so Bengler. Dabei könne es sich um Projekte der Mensch-Technik-Interaktion wie das autonome Fahren, den Datenschutz und Persönlichkeitsrechte, persönliche Daten, die in der Künstlichen Intelligenz dafür genutzt werden, um Algorithmen zu trainieren oder auch Umfragen im sozialwissenschaftlichen Bereich, bei denen personenbezogene Daten erhoben werden, gehen.

Bei ihren Prüfungen greife die Kommission aber nicht in die inhaltliche Gestaltung der Forschung ein: Übergeord­nete Fragen zu „Dilemmasituationen“, wie beispielsweise beim autonomen Fahren seien Sache des Deutschen Ethikrats.

„Es besteht großes Interesse und ein hoher Bedarf an klarer ethischer Beratung in der nicht medizinischen Forschung“, sagte Schmidt am Rande der Jahrestagung dem . Diesem versuche man als AKEK gerecht zu werden. Um Standards zu schaffen, sei bereits eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bundesärztekammer (BÄK) und AKEK gebildet worden. „Hier Lösungen zu finden, ist eine Aufgabe für die nahe Zukunft“, so Schmidt.

Auch die BÄK hat die Entwicklungen im Bereich der Forschung an Menschen durch nicht ärztliche Berufsgruppen bereits diskutiert.

Sie befürchtet, dass bei dieser Forschung am Menschen die Schutzstandards für Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Forschungsstudien hinter den langjährig bewährten Schutzstandards der Deklaration von Helsinki zurückblei­ben könnten. Zudem könnten Förderinstitutionen und Publikationsorgane, die die Vorlage von Ethikvoten verlan­gen, in nicht medizinischen Bereichen keine einheitliche Prüfungsqualität voraussetzen.

Hinzu kommt: Die unter Beteiligung der BÄK im Oktober novellierte Deklaration von Helsinki sieht vor, dass sie von allen an der medizinischen Forschung beteiligten Personen, Teams und Organisationen berücksichtigt werden möge, da sie für die Achtung und den Schutz aller Forschungsteilnehmer, ob Patienten oder gesunde Freiwillige, von grundlegender Bedeutung ist.

ER

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