Politik

Ethiker halten Mischwesen­experimente für vertretbar

  • Donnerstag, 1. August 2019
/picture alliance,Salk Institute, AP Photo
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Köln/Berlin – Deutsche Ethikexperten halten die in Japan geplante Forschung an Mensch-Tier-Wesen prinzipiell für gerechtfertigt. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, sagte heute im ZDF-Morgenmagazin, der Versuch, in tierischen Embryos menschliche Organe zu züchten und damit menschliches Leid zu lindern, sei ein hochrangiges Forschungsziel. Er wies Politiker-Äußerungen von einem ethischen Supergau zurück und mahnte, bei der Wortwahl „abzurüsten“.

Aufpassen müsse man, dass die Grenzen zwischen Mensch und Tier aufrecht erhalten würden, fügte der evangelische Theologe hinzu. Wenn also menschliche Stammzellen etwa in Hirne von Tieren einwanderten, müsse man die Forschung abbrechen. Auch die Frage, wie weit man Tieren Leid zufügen und sie für die Gewinnung von Organen töten dürfe, müsse man diskutieren. Sie sei abzuwägen mit dem Leid sterbenskranker Menschen.

Die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen sagte im Deutschlandfunk, ethisch werde mit den Plänen keine rote Linie überschritten. Bei Mischwesen rege sich zwar ein ungutes Gefühl, sagte die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates. Entscheidend sei aber, dass es zu keiner Artüberschreitung komme und die spezifischen Charakteristika von Mensch und Tier sich verunklarten. Wenn ein Schwein plötzlich Goethe-Gedichte zitiere, wäre eine eindeutige ethische Grenze überschritten. Aber in Japan wolle man so weit nicht gehen.

Gestern war bekannt geworden, dass die japanische Regierung Wissenschaftlern die Züchtung von Mischwesen aus Mensch und Tier erlaubt hat. Ein Forscherteam der Universität Tokio darf damit beginnen, tierische Embryonen zu züchten, die menschliche Stammzellen enthalten. Das Ziel sind menschliche Organe, die in den Embryonen heranwachsen.

Der Vorsitzende der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, Jochen Taupitz, sieht ebenfalls „keine ethische und rechtliche Grenzüberschreitung“. Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbiete solche Maßnahmen nicht, sagte Taupitz im rbb-Inforadio. Relevant wäre allenfalls das Tierschutzgesetz, „das Qualzüchtung verbietet“. Das sei aber nicht zu erwarten.

Der Münchner Molekularmediziner Eckard Wolf hält die Versuche für nicht aussichtsreich. Letztlich sei die Entstehung eines Organs ein sehr komplexer Prozess, der darauf basiere, dass sich verschiedene Zelltypen miteinander austauschten, sagte Wolf dem Bayerischen Rundfunk. Innerhalb einer Art funktioniere dies sehr gut, möglicherweise auch noch zwischen nahe verwandten Arten. Aber dass Mensch und Schwein nahe genug verwandt seien für dieses Projekt, halte er nicht für realistisch.

Der Wissenschaftler der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität verwies auf einen Versuch in den USA vor drei Jahren. Dabei habe man menschliche Stammzellen in Schweineembryonen injizieren wollen, was am Ende nicht erfolgreich verlaufen sei. Er selbst verfolge mit seinem Team den Ansatz der Xenotransplantation.

Ziel sei es, Schweineorgane für die Transplantation im Menschen zu verwenden. Dafür müsse man die Spenderschweine genetisch modifizieren, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. „Aber wenn man einmal die richtige Konstellation an genetischen Modifikationen gefunden hat, kann man diese Tiere ganz einfach über Zucht weitervermehren.“

kna

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