Ethikrat jetzt auch für Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen

Berlin – Angesichts der sich zuspitzenden Coronalage rät der Deutsche Ethikrat, eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen zu prüfen und umzusetzen. „Der Rat empfiehlt angesichts der gegenwärtigen pandemischen Situation nun ohne Gegenstimme bei drei Enthaltungen eine ernsthafte und rasche Prüfung einer berufsbezogenen Impfpflicht in Bereichen, in denen besonders vulnerable Menschen versorgt werden“, teilte das Gremium heute mit.
Der Ethikrat nannte konkret Menschen, die schwer oder chronisch Kranke sowie hochbetagte Menschen versorgen – „wie ärztliches und pflegendes Personal, aber auch Mitarbeitende des Sozialdienstes, der Alltagsbegleitung oder der Hauswirtschaft“.
Diese trügen „eine besondere Verantwortung dafür, die ihnen Anvertrauten nicht zu schädigen“. „Gleiches gilt für Institutionen und Einrichtungen, die dafür verantwortlich sind, die dort versorgten Menschen keinen vermeidbaren gesundheitlichen Gefahren auszusetzen.“
Der Ethikrat empfehle der Bundesregierung, „unverzüglich eine hinreichend differenzierte gesetzliche Regelung für eine berufsbezogene Impfpflicht zu prüfen und gegebenenfalls eine praktikable und effektive Umsetzung vorzubereiten“.
Dabei müssten „vielfach diskutierte Sorgen um etwaige negative Konsequenzen einer solchen Maßnahme, etwa Berufsausstiege in den betroffenen Berufsgruppen“, berücksichtigt werden. Diese seien aber „im Rahmen der Schutzpflichten gegenüber Menschen aus Hochrisikogruppen zu bewerten“.
Das Gremium äußerte die Hoffnung, „dass bereits die Diskussion um die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht als ein Signal in den Institutionen wahrgenommen wird, zügig effektive, aufsuchende Impfkampagnen mit zielgruppenspezifischer Information und Aufklärung für die verschiedenen Berufsgruppen zu organisieren“.
Der Ethikrat betonte zudem, dass die – auf Freiwilligkeit, Information, Überzeugungsarbeit und Vertrauensbildung beruhende – Impfstrategie „unverändert“ wichtig bleibe. Die Anstrengungen, möglichst alle Menschen von der Notwendigkeit der Impfung zu überzeugen, sollten verstärkt werden, hieß es. Außerdem müsse eine weiter ausgebaute Teststrategie die Impfstrategie ergänzen.
Auch der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) sprach sich heute mit Blick auf die Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen für eine Impfpflicht für das Betreuungspersonal aus – auch bei ambulanten Pflegediensten. Ziel sei es, besonders gefährdete Menschen vor einer Infektion zu schützen.
Gründe für die COVID-19-Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen sind aus Sicht des BVÖGD Impflücken bei dem Betreuungspersonal sowie eine mitunter eingeschränkte Immunantwort auf die Impfungen bei Hochbetagten. „Bei ungeimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Risiko erhöht, dass sie die von ihnen betreuten Bewohner mit SARS-CoV-2 infizieren“, schreibt der BVÖGD.
Eine Impfung gegen COVID-19 sei „auch eine Frage von Verantwortung und Ethik, zum Wohlergehen der Menschen zu handeln, um die man sich in der Pflege oder Betreuung kümmert“, lautet die Auffassung des BVÖGD. Wichtig seien außerdem rasche Auffrischimpfungen von Pflegebedürftigen und verpflichtende Tests für alle Besucher – auch Geimpften – in den Einrichtungen.
Für entscheidend hält der BVÖGD zudem die Aufklärung. In Gesprächen zeige sich oft, dass die ungeimpften Betreuungskräfte die Bedeutung der Impfung nicht richtig einschätzten oder Angst vor Nebenwirkungen hätten, die so nicht sein müssten. „Hier müssen die betreuenden Ärztinnen und Ärzte in den Heimen und Pflegediensten ansetzen“, empfiehlt der BVÖGD.
Der Deutsche Pflegerat unterstützt die Empfehlung des Ethikrates zur Prüfung einer Impfpflicht gegen COVID-19 für Mitarbeitende in Bereichen, in denen besonders vulnerable Menschen versorgt werden. „Die isolierte, verkürzte Debatte um die Impfpflicht einer einzelnen Gruppe, die der Pflegenden, ist somit vom Tisch“, sagte DPR-Präsidentin Christine Vogler.
Sie mahnte, die Aufzählung der vom Ethikrat genannten Berufsgruppen dürfe „längst nicht abschließend sein“. „Es muss geklärt werden, nach welchen eindeutigen Kriterien eine mögliche Auswahl von Berufsgruppen bzw. der in diesen Bereichen Beschäftigten erfolgt. Die Kriterien müssen nachvollziehbar und juristisch sauber definiert sein“, sagte sie.
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