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EU-Gesundheitsminister einigen sich auf Pharmareform

  • Freitag, 6. Juni 2025
/alexlmx, stock.adobe.com
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Berlin – Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Europäischen Union (EU) haben sich auf einen gemeinsamen Standpunkt zur Reform des EU-Arzneimittelrechts geeinigt. Damit geht das Vorhaben nun in die entscheidende Phase der Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat.

Das sogenannte EU-Pharmapaket ist die größte Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts seit 20 Jahren. Im April 2023 hatte die EU-Kommission einen ersten Entwurf für eine Richtlinie und eine Verordnung dazu vorgelegt, ein knappes Jahr später stimmte das Parlament seinen Standpunkt ab.

Am 17. Juni sollen nun die ersten Verhandlungen zwischen den EU-Organen beginnen, wie eine Sprecherin des Rates auf Anfrage erklärte. „Das heute vereinbarte Mandat ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass alle Europäer rechtzeitig und gleichberechtigt Zugang zu sicheren, erschwinglichen und wirksamen Arzneimitteln haben“, betonte die polnische Gesundheitsministerin Izabela Leszczyna. Polen hat in der ersten Jahreshälfte 2025 den rotierenden Vorsitz des Rates inne.

Gleichzeitig werde die Reform die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des europäischen Pharmasektors stärken und verbesserte regulatorische Bedingungen unterstützen, um die klinische Forschung zu fördern und den Bedürfnissen der öffentlichen Gesundheit gerecht zu werden.

Zudem sollen Maßnahmen zur Überwachung und Verhinderung von Engpässen enthalten sein und die Umweltauswirkungen von Arzneimitteln durch eine bessere Durchsetzung der Umweltvorschriften verringert werden.

Konkret unterscheide sich der Standpunkt des Rates insbesondere in Fragen des Schutzes geistigen Eigentums von den bisherigen Vorschlägen, beispielsweise beim Schutz von Zulassungsdaten. Der Rat will Unternehmen, die patentgeschützte Arzneimittel herstellen, weiterhin das Recht einräumen, acht Jahre lang zu verhindern, dass Wettbewerber Zugang zu den Daten erhalten, die zur Entwicklung dieser Arzneimittel verwendet wurden.

Im Entwurf der Kommission sollte diese Frist auf sechs, gemäß dem Standpunkt des Parlaments auf siebeneinhalb Jahre verkürzt werden. Der darauf­folgende Patent- beziehungsweise Vermarktungsschutz, währenddessen andere Hersteller keine Generika oder Biosimilars auf den Markt bringen dürfen, soll demnach wie bisher zwei Jahre betragen.

Hier will der Rat eine Verkürzung auf ein Jahr, das aber um ein weiteres verlängert werden kann, wenn bestimmte vorab festgelegte Schlüsselziele erreicht werden.

Zudem hat der Rat den Entwurf für die Richtlinie um einen neuen Artikel ergänzt, der die Mitgliedsstaaten ermächtigt, den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels zu verpflichten, dieses in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen, um den Bedarf der Patienten in dem betreffenden Mitgliedsstaat zu decken.

Auch bei den umstrittenen Vouchern, also übertragbaren Exklusivitätsgutscheinen, hat der Rat eine neue Klausel eingefügt. Die Voucher sollen einen Anreiz für die Entwicklung neuartiger, resistenzbrechender Antibiotika schaffen, indem Hersteller die Marktexklusivität eines zugelassenen Arzneimittels um ein Jahr verlängern oder ihn auf andere Zulassungsinhaber übertragen können.

Der Rat will nun, dass ein übertragbarer Gutschein nur im fünften Jahr der gesetzlichen Datenschutzfrist verwendet werden kann. Und auch das soll nur dann möglich sein, wenn der Zulassungsinhaber nachweist, dass der jährliche Bruttoumsatz des Produkts in der EU in keinem der vier vorangegangenen Jahre 490 Millionen Euro überschritten hat.

Zudem wollen die Gesundheitsminister die sogenannte Bolar-Ausnahmeregelung weiter präzisieren. Diese berechtigt Pharmaunternehmen, für die Zulassung eines Generikums oder Biosimilars Studien und Versuche mit einem patentgeschützten Arzneimittel durchzuführen, ohne den Patentschutz zu verletzen.

Das soll die Entwicklung von Generika erleichtern. Der Rat will die Regelung nun auf die Einreichung von Angeboten für öffentliche Ausschreibungen ausdehnen. „Wir bauen ein gesünderes, widerstandsfähigeres Europa auf, das niemanden zurücklässt“, versprach Leszczyna.

In der Pharmaindustrie sind die geplanten Regelungen durchaus umstritten. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) warnte angesichts der Einigung des Rates erneut davor, man solle die „Marktexklusivität nicht leichtfertig aufs Spiel setzen“.

„Die vorgeschlagenen Kürzungen der Schutzfristen senden das falsche Signal – insbesondere an forschende Unternehmen, die ihre Entscheidungen über künftige Entwicklungen und Standorte jetzt treffen“, kritisierte vfa-Präsident Han Steutel. Es liege nun am Parlament, gemeinsam mit dem Rat der EU im Rahmen der anstehenden Trilogverhandlungen, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu sichern.

lau

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