EU-Kommission will Impfstoff für ganz Europa erwerben

Brüssel – Die EU-Kommission schlägt vor, die Beschaffung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 für die gesamte Europäische Union (EU) in die Hand zu nehmen. Vorabzahlungen sowie spezielle Vereinbarungen mit Impfstoffentwicklern sollen sicherstellen, dass alle EU-Mitgliedsstaaten ausreichend Impfstoff erhalten, sobald dieser verfügbar ist.
Die Erfolgsraten von Impfstoffen liegen in klinischen Studien üblicherweise bei nur 20 bis 40 Prozent. Hinzu kommt, dass die Entwicklungszeit von circa zehn Jahren bei SARS-CoV-2 auf 12 bis 18 Monate gedrückt werden soll. Für die Impfstoffhersteller sei dies „ein riskanter und herausfordernder Prozess“, sagte eine Kommissionssprecherin heute bei einem Briefing in Brüssel.
Um in 12 bis 18 Monaten ausreichend Produktionskapazitäten zu haben, müssten die Unternehmen heute investieren. Dies sollen dem Vorschlag der Kommission zufolge Vorabzahlungen aus dem Emergency Support Instrument der EU ermöglichen. Es wurde aufgelegt und mit rund 2,7 Milliarden Euro ausgestattet, um die Reaktion der EU auf die COVID-19-Pandemie zu finanzieren.
Milliardenbudget maximiert Chance auf Impfstoff
Mit „einem signifikanten Anteil“ dieses – bislang kaum angetasteten – Budgets will die Kommission Verträge mit verschiedenen Impfstoffherstellern abschließen, „um die Chance zu maximieren, am Ende Zugang zu mindestens einem erfolgreichen Impfstoff zu haben“.
Diese vorab getroffenen Kaufvereinbarungen will die Kommission im Namen der Mitgliedstaaten mit den Herstellern verhandeln. Die Vorabzahlungen – Anzahlungen, die im Erfolgsfall mit dem Kaufpreis verrechnet werden – sollen im Austausch für das Recht, eine bestimmte Zahl an Impfstoffdosen zu erwerben, erfolgen.
Kein Exklusivdeal, nur Deckung des europäischen Bedarfs
In dieser Hinsicht unterschieden sich diese geplanten Vereinbarungen von dem vor Kurzem weltweit durch die Medien gegangenen angeblichen Impfstoffdeal zwischen Sanofi und den USA. Es handele sich nicht um ein mit Verpflichtungen verbundene Finanzierung, sondern um eine vorab getroffene Kaufvereinbarung, so die Kommissionssprecherin.
„Wir versuchen keinen exklusiven Deal zu bekommen, wollen nicht die gesamte Produktion eines Unternehmens, nur die Dosen, die wir brauchen“. Diese Impfstoffdosen sollen dann von den EU-Mitgliedsstaaten direkt bei den Pharmaunternehmen erworben werden.
Dieser gemeinsame Ansatz biete eine bessere Verhandlungsbasis. Die mehr als zwei Milliarden Euro aus dem Emergency Support Instrument versprächen außerdem mehr Schlagkraft und ermögliche es, in verschiedene vielversprechende Technologien zu investieren. Auch Wettbewerb zwischen den einzelnen EU-Staaten würde entfallen.
Die Kommissionssprecherin betonte, dass die Pläne der EU-Kommission nicht in Konkurrenz zu den Bemühungen der Impfstoffallianz von Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden stehe. Es bestehe eine enge Zusammenarbeit und regelmäßiger Kontakt, schließlich arbeite man teils mit den gleichen Fördergeldern und habe das gleiche Ziel, einen Impfstoff für Europa.
Schnelligkeit und Produktionskapazitäten ausschlaggebend
Bei der Auswahl von Unternehmen, mit denen Verträge abgeschlossen werden sollen, zählen der Sprecherin zufolge vor allem Kriterien wie Geschwindigkeit – es sollen noch in 2020 klinische Studien möglich sein – dass es sich um einen aussichtsreichen wissenschaftlichen Ansatz handelt und dass das Unternehmen in der Lage ist, die erforderliche Menge an Impfstoff zu produzieren und in Europa auszuliefern.
An letzterem Punkt könnten Unternehmen scheitern, die ausschließlich in den USA produzieren, da die USA bereits haben verlauten lassen, dass auf US-Boden produzierter Impfstoff zunächst der Versorgung der US-Bevölkerung vorbehalten bleiben soll.
Der Kommissionssprecherin zufolge kämen ausschließlich in den USA produzierende Unternehmen nur dann infrage, wenn sie trotz dieser Einschränkungen ihre Lieferfähigkeit in die EU garantieren könnten.
Die Sprecherin betonte, dass die Impfvorgaben und -regelungen weiter in der Hand der EU-Mitgliedsstaaten bleiben sollen. Nur die Verhandlungen mit den Unternehmen soll ein gemeinsames Verhandlungsteam führen, welches aus Experten der Kommission und einer kleinen Gruppe von Vertretern der Mitgliedsstaaten besteht.
Umweltrisikobewertung soll temporär ausgesetzt werden
Allerdings, ein signifikantes Hindernis auf nationaler Ebene müsse zumindest temporär noch aus dem Weg geschafft werden. Einige EU-Staaten fordern für Medikamente, die genetisch modifiziert sind (auf GMO-Basis) eine Umweltrisikobewertung, welche sehr lange dauere. Nur wenn diese Auflage in der Coronakrise entfalle, sei eine zügige Zulassung entsprechender Impfstoffe möglich.
Dennoch betonte die Sprecherin, dass der Verbraucherschutz, die Haftbarkeit der Hersteller und die Patientenrechte nicht angetastet werden sollen, jeder Impfstoff müsse zumindest eine bedingte Zulassung in der EU haben.
Der Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Strategie zur Impfstoffentwicklung in der EU soll morgen im Gesundheitsausschuss diskutiert werden. Am nächsten Mittwoch soll dann die Verabschiedung folgen.
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