EuGH erleichtert Teilzeitbeschäftigten Zugang zu Mehrarbeitszuschlägen

Luxemburg – Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte Teilzeitbeschäftigter bei der Überstundenvergütung gestärkt. Teilzeitbeschäftigte werden demnach unzulässig benachteiligt, wenn sie bei gleicher Arbeit Mehrarbeitszuschläge erst ab der gleichen Gesamtstundenzahl erhalten wie Vollzeitbeschäftigte, entschied der in Luxemburg ansässige EuGH heute (Az. C-660/20).
Die Mehrarbeitszuschläge von Teilzeitbeschäftigten sind in Deutschland seit langem umstritten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hatte die Klage eines Piloten der Lufthansa CityLine dem EuGH vorgelegt. Bei der Airline müssen bislang bestimmte Schwellenwerte an Flugstunden überschritten sein, um eine in drei Stufen erhöhte „Mehrflugdienststundenvergütung“ zu erhalten.
Die Schwellen sind für Voll- und Teilzeitbeschäftigte gleich. Der Kläger arbeitet im Umfang von 90 Prozent einer Vollzeitstelle und führte an, er werde durch die Mehrflugregelung benachteiligt. Die „Auslösegrenzen“ für die Zuschläge müssten entsprechend seiner Teilzeitbeschäftigung herabgesetzt werden. Dagegen argumentierte Lufthansa CityLine, die Zuschläge sollten „eine besondere Arbeitsbelastung“ ausgleichen. Diese bestehe erst, wenn die tariflichen Auslösegrenzen überschritten seien.
Der EuGH stellte fest, dass die Teilzeitbeschäftigten mehr Überstunden machen müssen, um in den Genuss der Zuschläge zu gelangen. „Teilzeitbeschäftigte Piloten werden damit in höherem Maß belastet und werden die Anspruchsvoraussetzungen für die zusätzliche Vergütung weitaus seltener erfüllen als ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen.“
Dies bedeute „eine schlechteren Behandlung der teilzeitbeschäftigten Piloten“ mit EU-Recht sei dies unvereinbar, sofern sich die Benachteiligung nicht durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt. Dabei stellten die Luxemburger Richter klar, dass nur „konkrete Umstände“ oder legitime sozialpolitische Ziele des jeweiligen EU-Mitgliedstaats eine Benachteiligung rechtfertigen können. Dies könne etwa der Umstand sein, dass Teilzeitbeschäftigten überwiegend andere Aufgaben zugewiesen werden als den Vollzeitbeschäftigten.
Demnach trägt der auch sonst bei vergleichbaren Regelungen übliche Verweis von Lufthansa CityLine auf eine „besondere Arbeitsbelastung“ wohl nicht. Tatsächlich sei diese Begründung im entsprechenden Tarifvertrag gar nicht genannt, rügte der EuGH.
Auch habe Lufthansa CityLine eingeräumt, dass den tariflichen „Auslösegrenzen" weder wissenschaftliche Erkenntnisse noch allgemeine Erfahrungswerte zugrunde liegen. Zudem könne die individuelle Situation und damit auch die Auswirkungen der jeweiligen Arbeitsbelastung bei Voll- und Teilzeitbeschäftigten unterschiedlich sein.
Nach diesen Maßgaben muss nun abschließend das BAG prüfen, ob es eine Rechtfertigung für die Teilzeitbeschäftigte benachteiligende Regelung bei Lufthansa CityLine gibt.
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