Ausland

Europäische Union macht Weg für digitale Beipackzettel frei

  • Donnerstag, 11. Dezember 2025
/VRD, stock.adobe.com
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Brüssel – Beipackzettel für Medikamente sollen in der Europäischen Union (EU) künftig auch digital verfügbar sein. Vertreter aus dem Europaparlament und dem Rat der 27 EU-Länder einigten sich heute darauf, dass Hersteller die Hinweise zur Anwendung und zu Nebenwirkungen in Zukunft etwa über einen QR-Code auf der Packung hinterlegen müssen. Den Beipackzettel auf Papier soll es erst einmal weiter geben.

Die digitalen Informationen seien gerade für ältere Menschen sogar von Vorteil, betonte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. „Den Beipackzettel aus Papier können viele wegen der kleinen Schrift gar nicht lesen“, erklärte er nach Abschluss der Verhandlungen. „Wenn man einen elektronischen Beipackzettel hat, kann man sich die Schrift vergrößern und sich sogar den Beipackzettel vorlesen lassen.“

Die EU überlässt es ihren Mitgliedstaaten, ob sie in Zukunft nur noch einen digitalen Beipackzettel vorschreiben wollen. In so einem Fall könnte der Papierzettel in der Packung wegfallen, er wäre aber in der Apotheke weiterhin kostenfrei als Papierversion erhältlich. In Deutschland gibt es derzeit keine Pläne, die Pflicht für einen Papierzettel abzuschaffen.

Die Regelung zum Beipackzettel ist Teil einer größeren Reform der europäischen Arzneimittelgesetze. Die EU will unter anderem dafür sorgen, dass genügend wirksame Antibiotika auf dem Markt sind. Um die Sensibilität für Resistenzen zu erhöhen, sollen Antibiotika in Zukunft entsprechende Hinweise bekommen.

Für Pharmakonzerne lohnt sich die Entwicklung neuer Antibiotika außerdem kaum, weil ihre Anwendung so strengen Regeln unterliegt und die Prüfverfahren teuer sind. Die EU will deshalb finanzielle Anreize schaffen. Entwickelt ein Unternehmen ein neues Antibiotikum, kann es im Gegenzug mit einem Voucher den Patentschutz eines anderen hauseigenen Medikaments um ein Jahr verlängern.

Die EU will außerdem Arzneimittelengpässen vorbeugen. Die Hersteller sollen sich deshalb bei den Behörden melden, sechs Monate bevor ein Lieferstopp droht. „Das gibt Behörden und Gesundheitssystemen endlich den notwendigen Handlungsspielraum, um Engpässe wirksam zu verhindern“, erklärte der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken.

In der Pharmaindustrie wurden die Verhandlungsergebnisse gemischt aufgenommen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und Pharma Deutschland begrüßen die Einigung. Pharma Deutschland sieht sie als „ersten Schritt im internationalen Standort- und Innovationswettbewerb“ und lobte vor allem die neuen Regelungen zum Unterlagenschutz.

Insbesondere sei gut, dass der grundsätzliche achtjährige Schutz erhalten bleibt. In der Debatte war zuvor eine Verkürzung von Unterlagen- und Patentschutz diskutiert worden. „Dass es weiterhin die Möglichkeit gibt, auf bis zu elf Jahre Schutz zu kommen, bleibt ein wichtiges Investitionssignal, wenn auch ein verhaltenes“, schreibt der Verband nun.

Gleichzeitig führe das nun vorgesehene komplexe System aus Basisschutz und konditionalen Zusatzfristen aber zu mehr Planungsunsicherheit für Unternehmen. Business Cases, also die Analyse von Investitionsentscheidungen, würden dadurch anspruchsvoller. Eine Schwachstelle sei zudem, dass die Maßnahmen gegen Lieferengpässe eine erhebliche Ausweitung der Melde-, Dokumentations- und Berichtspflichten bedeuten würden.

Eine „Modernisierung ohne Mut“ sieht hingegen der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa). „Der politische Wille zur Einigung ist nachvollziehbar, aber der Kompromiss schwächt Europas Innovationskraft“, erklärte vfa-Präsident Han Steutel. Die Reform verfehle aus Sicht des vfa die notwendige Antwort auf den globalen Wettbewerb.

Gerade die USA würden derzeit eine aktive Standortpolitik verfolgen, mit der sie Forschung, klinische Studien und biopharmazeutische Investitionen oft zulasten Europas anziehen würden. Der EU-Kompromiss setze dem ein äußerst regelungsintensives System entgegen, das Anreize verkürze und Unternehmen eher abschrecke als anziehe.

afp/lau

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