Gesundheitspolitischer Endspurt bei der Europäischen Union

Berlin – Die Europäische Union (EU) widmet sich in einem Jahresendspurt einer Reihe wichtiger gesundheitspolitischer Vorhaben, die im kommenden Jahr von Bedeutung sein werden. Noch vor Weihnachten werden wichtige Schritte bei der Reform des Arzneimittelrechtsrahmens, dem „Critical Medicines Act“ sowie bei der Medizinprodukteverordnung erwartet.
Den Start machen die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission ab Mittwochabend. In ihnen werde eine Einigung über den Entwurf zur Pharmagesetzgebung erwartet, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese heute. Viele Punkte seien bereits unstrittig.
Dazu gehöre unter anderem die Einführung der sogenannten „Rolling Review“, also eines beschleunigten Arzneimittelzulassungsverfahrens, bei dem die eingereichten Dossiers noch nicht vollständig sein müssen, um mit der Prüfung zu beginnen. Während der COVID-19-Pandemie habe man damit sehr gute Erfahrungen gemacht, betonte Liese.
Auch sollen Hersteller verpflichtet werden, drohende Lieferengpässe früher und systematischer zu melden. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) soll dabei eine stärkere koordinierende Rolle bei der Überwachung kritischer Wirkstoffe und der Krisensteuerung erhalten.
Außerdem sollen Pharmaunternehmen Beipackzettel künftig verpflichtend auch in digitaler Form bereitstellen. Das sei „eine ganz wichtige Neuerung für Patienten im EU-Ausland, die der Landessprache nicht mächtig sind“, betonte Liese.
Noch nicht abschließend geklärt seien Fragen zu kürzeren Fristen und Unterstützungen für kleine und mittlere Unternehmen. Das gilt im Detail auch für den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Hier sollen neue Regelungen für einen gezielteren Einsatz sorgen.
Relativ sicher scheint die Einführung der umstrittenen sogenannten „Antibiotika-Voucher“. Hersteller sollen diese an andere Unternehmen weiterverkaufen können, die damit die Marktexklusivität eines Medikaments um zwölf Monate verlängern dürfen. So soll ein Anreiz entstehen, in neue Antibiotika zu investieren, auch wenn diese aufgrund notwendiger politischer Entscheidungen nur sehr selten eingesetzt werden.
Politisches Gerangel hatte es im Vorfeld auch um die Reform von Patentfristen gegeben. Hier soll nun die grundsätzliche Frist der Gesamtschutzdauer von zehn Jahren bestehen bleiben.
Das Parlament will darüber hinaus aber auch Anreize für Unternehmen schaffen, Arzneimittel gegen Erkrankungen entwickeln, für die es bisher keine wirksame Therapie gibt. Die Unternehmen sollen dann einen zusätzlichen Bonus erhalten. Ob diese Regelung kommt und wie genau dieser Bonus aussehen würde, sei aber ebenfalls noch offen, so Liese.
Kommende Woche Montag stimmt dann der Gesundheitsausschuss des Parlaments in Straßburg über den Entwurf für einen „Critical Medicines Act“ ab, der vor allem der Bekämpfung von Arzneimittellieferengpässen dienen soll.
Hier stehen vor allem neue Ausschreibungsregeln auf dem Plan. „Die Pharmafirmen gucken nicht nur auf Deutschland, sondern auf Europa. Wir brauchen die Marktmacht von 450 Millionen Menschen, um da Druck zu machen, zum Beispiel durch Zuschläge für lokale Produktion“, sagte Liese.
Auch sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt und bestehende EU-Vorschriften wie die umstrittene Kommunale Abwasserrichtlinie (KARL) auf ihre Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung überprüft werden. „Wir müssen Bereiche adressieren, die der Arzneimittelsicherheit im Wege stehen, auch im Umweltrecht“, unterstrich Liese.
Schließlich wartet vor allem die Medizintechnologiebranche auf den 16. Dezember. An diesem Tag will die EU-Kommission ihren Entwurf für eine Reform der Medizinprodukteverordnung (MDR) vorlegen.
Eine zentrale Erwartung an den Entwurf ist die Abschaffung der Regelung zur Rezertifizierung von Medizinprodukten alle fünf Jahre. Die Industrie macht diese Regelung wesentlich mitverantwortlich für die Kapazitätsengpässe bei den Benannten Stellen, die die Zertifizierungen vornehmen.
Auch sollen kleine und mittlere Unternehmen durch vereinfachte Verfahren, weniger formale Berichtspflichten und praxisgerechtere Anforderungen entlastet werden. Insbesondere diese Firmen klagen bisher, dass die bürokratischen Auflagen bei ihnen zu unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwänden führen würden.
Verbindliche Bearbeitungsfristen, eine klarere Gebührenstruktur und ein verbesserter Datenaustausch zwischen Behörden und Benannten Stellen sollen zudem die Zertifizierungen beschleunigen.
Mit allzu schnellen Ergebnissen sei bei der MDR-Reform jedoch nicht zu rechnen, räumte Liese ein: „Das wird lange dauern. Aber die Bereitschaft ist auf beiden Seiten groß, sich zu einigen. Deshalb bin ich da optimistisch.“
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