Evidenz für Aortenschädigung durch Fluorchinolone sehr gering
Bonn – Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone stehen bekanntlich im Verdacht, kollagenreiche Strukturen schädigen zu können. Zwei im Jahr 2015 veröffentlichte epidemiologische Studien fanden ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Aortenaneurysmen und Aortendissektionen unter der Einnahme von Fluorchinolonen. Eine Arbeitsgruppe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat nun den Zusammenhang untersucht und die Studien sowie weitere Einzelfallberichte analysiert. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts veröffentlicht (2017; 1: 3–11).
„In Deutschland stellen die Fluorchinolone aktuell unter den Antibiotika nach Betalaktamen, Makroliden und Tetracyclinen die viertstärkste Verordnungsgruppe mit 33,7 Millionen definierten Tagesdosen im ambulanten Bereich dar“, berichten die Autoren. Sie würden aufgrund ihres breiten Wirkungsspektrums bei einer Vielzahl von Infektionen wie Harnwegs- und Atemwegsinfektionen sowie schweren systemischen Infektionen eingesetzt.
Im Jahre 2015 wurden erstmals Ergebnisse aus zwei Beobachtungsstudien zum Risiko von Aortenaneurysmen und Aortendissektionen unter der Therapie mit Fluorchinolonen publiziert. Die taiwanesische Fall-Kontroll-Studie und die kanadische Kohortenstudie zeigen übereinstimmend ein um den Faktor zwei erhöhtes Risiko unter Fluorchinolontherapie. „Beide Studien weisen jedoch hinsichtlich der Assoziation zwischen Fluorchinolonen und dem Ereignis Aortenaneurysmen/Aortendissektionen eine zu geringe Evidenz auf, um zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Aktualisierung der Produktinformationen zu rechtfertigen“, berichten die Autoren.
Die bewerteten Spontanberichte seien im Verhältnis zur sehr hohen weltweiten Exposition gering. Bei einer Mehrzahl der Patienten lagen zudem Risikofaktoren für das Auftreten von Aortenaneurysmen und Aortendissektionen vor, womit alternative Ursachen nicht ausgeschlossen werden könnten. „Insgesamt handelt es sich bei der Assoziation von Aortenaneurysmen und Aortendissektionen mit Fluorchinolonen um Zusammenhänge, die nur sehr schwer im Rahmen von Beobachtungsstudien evaluiert werden können. Dies beruht vor allem auf der Seltenheit der Grundereignisse und den zahlreichen möglichen Störfaktoren und Verzerrungen“, schreiben die Autoren.
Sie mahnen aber, Fluorchinolone generell nur entsprechend der Zulassungen und aktuellen Therapieleitlinien anzuwenden, also nicht als Mittel der ersten Wahl für zum Beispiel unkomplizierte Zystitis oder ambulant erworbene Pneumonien. Außerdem sollten Ärzte bei Patienten mit Risikofaktoren für die Entstehung und Progression von Aortenaneurysmen und -dissektionen sehr sorgfältig erwägen, ob nicht Therapiealternativen möglich wären. Dies gelte „trotz der derzeit begrenzten Evidenz für einen Kausalzusammenhang“ zwischen der Gabe von Fluorchinolonen und dem Auftreten von Aortenaneurysmen und Aortendissektionen, so die Autoren.
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