AOK-Institut kritisiert Verordnungsraten von Fluorchinolonen

Berlin – Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wurden im Jahr 2015 in Deutschland bezogen auf alle Antibiotikaverordnungen mit knapp 5,9 Millionen verordneten Arzneimittelpackungen am vierthäufigsten verordnet. Das berichtet das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). „Angesichts der möglichen schwerwiegenden und langandauernden Nebenwirkungen wie Sehnenrissen, psychischen Störungen wie Depressionen und Angstzuständen, sollten diese Reserveantibiotika nur nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt eingesetzt werden“, mahnte der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder.
Nach einer Hochrechnung des WIdO auf der Grundlage der AOK-Versicherten haben 2015 mehr als vier Millionen GKV-Versicherte und damit sechs Prozent der mehr als 70 Millionen GKV-Versicherten diese Antibiotika erhalten. Führend bei diesen Wirkstoffen ist Ciprofloxacin mit fast 63 Prozent der Verordnungen. Fluorchinolone sind hochwirksame synthetische Antibiotika, die ein breites Wirkspektrum besitzen und insbesondere bei schwerwiegenden bakteriellen Infektionen zum Einsatz kommen. Sie stehen im Verdacht, kollagenreiche Strukturen schädigen zu können. Dies ist seit Langem bekannt und wird entsprechend in den Produktinformationen aufgeführt.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat im Februar diesen Jahres ein europäisches Risikobewertungsverfahren für Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone und Chinolone angestoßen. Es soll bei der Bewertung schwerwiegender Nebenwirkungen und Umsetzung eventueller Indikationseinschränkungen helfen. „Insgesamt befinden sich derzeit nur fünf weitere unterschiedliche Arzneimittel beziehungsweise Arzneimittelgruppen in einem derartigen Überprüfungsverfahren durch die EMA – bei den rund 2.500 im Einsatz befindlichen Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen eine vergleichsweise geringe Zahl“, informiert das WIdO.
Das Ausmaß der Verordnungen lasse aber darauf schließen, dass Fluorchinolone nicht ausschließlich bei schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Erkrankungen zum Einsatz kämen. „Dabei wäre es vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Resistenzentwicklung sinnvoller, die Fluorchinolone als Reservesubstanzen zurückhaltend einzusetzen. Bei vielen Indikationen sollte den älteren und langjährig erprobten, aber dennoch gut wirksamen Substanzen der Vorzug gegeben werden“, hieß es aus dem Institut.
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