Medizin

Zweifel an Studie zum Genom-Editing

  • Sonntag, 3. September 2017
/Gernot Krautberger, stock.adobe.com
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New York – Kann man mit dem Genom-Editor CRISPR/Cas9 wirklich Gen­defekte von Embryonen korrigieren? Eine Gruppe von Genforschern bezweifelt dies. Die kürzlich in Nature veröffentlichten Ergebnisse ließen sich auch als Messfehler inter­pretieren, schreiben sie in bioRxiv (2017; doi: 10.1101/181255).

Die Anfang August von Forschern am Oregon Health Sciences Center in Portland veröffentlichten Forschungsergebnisse haben weltweit für Aufsehen gesorgt und Bioethiker alarmiert. Das Team um Shoukhrat Mitalipov hatte berichtet, dass es ihnen mithilfe der CRISPR/Cas9-Methode gelungen sei, in befruchteten Eizellen einen Gendefekt zu reparieren, der zur hypertrophen Kardiomyopathie führt, einer relativ häufigen Erkrankung, die zu einem vorzeitigen Herztod führt.

Die Embryonen wurden allerdings zerstört, so dass unklar bleibt, wie sich die „gesun­den“ Kinder später entwickelt hätten. Die Auswirkungen des Gendefekts, der zur hyper­trophen Kardiomyopathie führt, machen sich frühestens im Jugendalter bemerkbar, wenn es zum plötzlichen Herztod kommt. In den meisten Fällen wird die Erkrankung erst im späteren Erwachsenenleben symptomatisch, wenn die Betroffenen frühzeitig eine Herzschwäche entwickeln.

Der Stammzellforscher Dieter Egli von der Columbia University in New York bezweifelt jetzt, dass Mitalipov die Embryonen wirklich geheilt hat. Zusammen mit der Biologin Maria Jasin von Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York und dem Genetiker George Church stellen sie eine alternative Interpretation der Daten vor. 

Die Skepsis gründet sich darauf, dass der vermeintliche Genom-Editor CRISPR/Cas9 in Wirklichkeit nur eine Schere ist. Sie kann zwar die DNA an jeder gewünschten Stelle zerschneiden und damit ein defektes Gen entfernen. Für den zweiten Teil der Repara­tur, den Einbau der korrekten Genkopie, ist jedoch die Mithilfe der Zelle notwendig. Mitalipov behauptet, dass die homologe Rekombination („homology-­directed repair“, HDR) den Job erledigt. Die HDR ist tatsächlich in der Lage, Lücken im Genom durch eine Kopie zu schließen, die von der intakten Stelle des homologen Chromosomen gezogen wird.

Perry und Mitarbeiter bezweifeln, dass dies möglich ist, da sich die homologen Chro­mo­somen (eines von der Mutter und eines vom Vater) nach der Befruchtung zunächst an entgegengesetzten Enden der Eizelle befinden, zu weit von einander entfernt, um mittels HDR Genkopien auszutauschen. Eine HDR finde in diesem Stadium gar nicht statt, behaupten die Kritiker.

Die von Mitalipov benutzten Tests waren nach Ansicht der Kritiker nicht geeignet, den Erfolg der Behandlung zu erkennen. Sie hätten lediglich gezeigt, dass die Genschere den Defekt entfernt hat, nicht aber, dass auch die korrekte Genkopie eingebaut wurde. Dies sei allerdings notwendig, um eine hypertrophe Kardiomyopathie zu vermeiden.

Die von Nature befragten Experten sind sich nicht einig. Gaetano Burgio, ein Genetiker der Australian National University in Canberra, hält die Einwände für überzeugend. Robin Lovell-Badge vom Francis Crick Institute in London meint, es es möglich, dass „neue oder unerwartete“ biologische Mechanismen die Ergebnisse erklären.

Da die Embryonen nicht ausgetragen wurden, wird sich kaum beweisen lassen, wer recht hat. Eine Lösung könnte darin bestehen, den Gendefekt zunächst in einem Tiermodell zu reparieren und die Tiere dann nach der Geburt zu untersuchen. 

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Grundlagenforscher aus dem Bereich der Genetik und Stammzellforschung schnell vom Star zum mutmaßlichen Betrüger mutieren. Ein Betrugsversuch steht derzeit auch nicht in der Diskussion. Perry behauptet lediglich, dass Mitalipov die eigenen Daten falsch interpretiert hat. Mitalipov will sich innerhalb der nächsten Wochen zu den Vorwürfen äußern.

rme

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