Medizin

Genom-Editor CRISPR klärt Genfunktion bei menschlichen Embryonen

  • Donnerstag, 21. September 2017
/vchalup, stock.adobe.com
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London – Britische Forscher haben den Genom-Editor CRISPR verwendet, um die Funktion eines Schlüsselgens in den ersten Tagen der menschlichen Embryogenese zu untersuchen. Sie rechtfertigen ihre Experimente an befruchteten Eizellen, die in Deutschland verboten wären, in Nature (2017; doi: 10.1038/nature24033) mit Besonderheiten in der menschlichen Embryogenese, die in Experimenten an Mäusen nur unzureichend untersucht werden könnten.

Die Embryologie beschäftigt sich mit der Frage, wie aus einer einzelnen befruchteten Zelle ein komplexer Organismus entstehen kann mit unzähligen Zellen, die sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln und sich zu Geweben und Organen in einem Organismus formieren, der zu komplexen Leistungen in der Lage ist und sich in Natur und Evolution gegen zahlreiche Konkurrenten durchgesetzt hat. Es ist klar, dass die Entwicklung durch Gene gesteuert wird, die zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiviert werden und die Entwicklung jeweils in eine bestimmte Richtung lenken.

Auch wenn einige Steuergene bekannt sind, steht die Forschung doch erst am Anfang. Der Genom-Editor CRISPR/Cas9 hat sich hier innerhalb kurzer Zeit zu einem wichtigen Instrument entwickelt. Mit CRISPR/Cas9 kann die DNA an jeder gewünschten Stelle durchtrennt werden. Es kommt dann zu Mutationen und zum Ausfall des betroffenen Gens, was oft Rückschlüsse über dessen Funktion zulässt. 

Bisher wurden die Experimente nur an Mäusen und anderen kleineren Tieren durch­geführt. Die Embryonen sind leicht verfügbar und ihre Verwendung stößt in der Öffentlichkeit und bei Bioethikern in der Regel nicht auf Widerstand.

Experimente mit menschlichen Embryonen sind dagegen in vielen Ländern, darunter Deutschland, auch in der Grundlagenforschung streng untersagt. Dies gilt auch für die erste Phase der Entwicklung vor der Implantation, in der aus der Eizelle eine etwa 200 bis 300 Zellen umfassende Blastozyste entsteht.

In Großbritannien sind die Regelungen liberaler. Auch dort benötigen die Forscher eine amtliche Genehmigung. Doch die UK Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) entscheidet in der Regel großzügig. Auch der Antrag von Norah Fogarty vom Francis Crick Institute in London und Mitarbeitern wurde genehmigt – selbstverständ­lich unter der Vorgabe, dass die genmanipulierten Embryonen später niemals Frauen mit Kinderwunsch in den Uterus implantiert würden.

Die Forscher untersuchten die Funktion von OCT4 (Octamer binding transcription factor 4), einem Steuergen, das schon bald nach der Befruchtung aktiviert wird. Forschungen an Mäusen hatten bereits gezeigt, dass die Zerstörung des OCT4-Gens POU5F1 mittels CRISPR/Cas9 eine weitere Entwicklung der Eizelle stark behindert. 

Die jetzt an menschlichen Embryonen durchgeführten Experimente zeigen, dass OCT4 bereits früher in die Entwicklung eingreift als bei Mäusen. Häufig führt der Ausfall von OCT4 zum Absterben des Embryos: Während normalerweise beim Menschen etwa die Hälfte der Eizellen zur Blastozyste heranreift, waren es nach Zerstörung von POU5F1 nur noch 19 Prozent.

OCT4 wird nicht nur für die Entwicklung des Epiblasts benötigt, aus dem sich später die drei Keimblätter (Entoderm, Ektoderm und Mesoderm) des Embryos formen. Auch die Funktion der extra-embryonischen Zellen für die spätere Plazenta und den Dotter­sack war gestört. 

Einzelheiten der Forschungsergebnisse dürften nur für Embryologen interessant sein. Die Publikation ist aber an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet (Nature stellte die Ergebnisse auf einer Pressekonferenz vor): Fogarty bestand darauf, dass Grundlagen­forschung mit dem Genom-Editor CRISPR an menschlichen Embryonen möglich und sinnvoll ist. Die Embryonen erhielten die Forscher übrigens von britischen IVF-Zentren. Dort werden den Frauen meistens mehrere Eizellen entnommen und befruchtet. Die meisten Embryonen werden dann im Gefrierschrank für eine etwaige spätere Verwen­dung gelagert, zu der es in der Regel nicht kommt.

Die Forscher fanden deshalb Paare, die einer Verwendung der „überschüssigen“ befruch­teten Eizellen zustimmten. Dennoch ist der Vorrat begrenzt. Den Forschern standen nach Informationen von Nature 58 Embryonen zur Verfügung.

rme

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