Mehr als 2.000 Ärzte unterschreiben Petition gegen Fehlernährung

Berlin – Mehr als 2.000 Ärztinnen und Ärzte fordern von der Bundesregierung wirksame Maßnahmen gegen Fehlernährung. Verhaltensprävention als Einzelstrategie reiche nicht aus, verkündeten heute das breite Bündnis aus 15 Ärzteverbänden, Fachorganisationen und Krankenkassen in Berlin. Sie fordern von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den zuständigen Ministern ein Gesamtkonzept, das die Verhältnisse ändert.
„In Sachen Prävention ist Deutschland ein Entwicklungsland. Während zahlreiche andere Staaten in Europa im Kampf gegen Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen die Lebensmittelwirtschaft in die Pflicht nehmen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie und auf Programme für Ernährungsbildung. Das ist die falsche Strategie“, erklärte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).
Zu den vier zentralen Bausteinen des geforderten Gesamtkonzepts zählen eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung in Form einer Nährwertampel, Beschränkungen der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung, verbindliche Standards für die Schul- und Kitaverpflegung sowie steuerliche Anreize für die Lebensmittelindustrie, gesündere Rezepturen zu entwickeln – etwa durch eine Sonderabgabe auf gesüßte Getränke.
Diese Vorstellung eines Gesamtkonzepts weicht deutlich von dem der Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) sowie dem des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) ab. „Wir als Lebensmittelwirtschaft benötigen keine Belehrungen von Interessensgruppen, weil wir seit Jahren handeln und beispielsweise stetig innovative Rezepturen entwickeln, bestehende optimieren und über Nährwerte und Inhaltsstoffe aufklären“, erwiderte Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands der Deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL.
Oliver Huizinga, Leiter Recherche & Kampagnen bei foodwatch, kann die Haltung der Industrie sogar nachvollziehen. Die Gewinnspanne von Süßwaren sei um ein vielfaches höher als von gesunden Lebensmitteln. „Es ist geradezu naiv von der Bundesregierung auf freiwillige Initiativen zu hoffen. In einer Marktwirtschaft kann man von Unternehmen nicht verlangen, dass sie komplett konträr zu ihren marktwirtschaftlichen Interessen handeln.“ Der Staat müsse daher einschreiten und verbindliche Regeln einführen.
/youtube, foodwatch
Unter den Unterzeichnern des offenen Briefs sind mehr als 1.300 Kinder- und Jugendärzte, 222 Diabetologen und 58 Professoren der Medizin – das entspricht etwa 0,5 Prozent aller Ärzte in Deutschland. Für eine Petition, die sich an eine streng definierte Zielgruppe richtet, sei das eine gute Bilanz, findet Huizinga.
Die Unterschriftenaktion hatte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) gemeinsam mit der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Verbraucherorganisation foodwatch gestartet. Zahlreiche Fachorganisationen haben sich angeschlossen: die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, die Deutsche Adipositas-Gesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, die Deutsche Herzstiftung, die Diakonie Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden, der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe, der AOK-Bundesverband und die Techniker Krankenkasse.
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