Vermischtes

Fachverbände sehen Kinder- und Jugend­palliativversorgung in Gefahr

  • Donnerstag, 30. November 2023
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Berlin – Fachverbände und betroffene Familien sehen die medizinisch-pflegerische Basisversorgung schwerkranker Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener gefährdet. Wenn Kinderkliniken aufgrund fehlender finanzieller Mittel oder des Fachkräftemangels schließen müssten und Kinderärzte keine Nachfolger fänden, könnten die spezialisierten Angebote der pädiatrischen Palliativversorgung womöglich nicht mehr ausreichend zur Verfügung gestellt werden.

Dies teilten Vertreter verschiedener Hospizverbände bei der Vorstellung eines neuen Erklärfilms zur Hospiz- und Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland mit. In den vergangenen Jahrzehnten sei in diesem Bereich zwar schon einiges geschehen – man habe sowohl stationäre als auch ambulante Angebote ausbauen können. Eine flächendeckende Versorgung gebe es in Deutschland aber noch nicht, betonte Maria Janisch, Mitarbeiterin in der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) sei vor allem im Osten Deutschlands noch zu wenig vertreten. Kinder und Jugendliche, die auf eine regelmäßige palliativmedizinische Versorgung angewiesen seien, müssten dadurch viel häufiger stationär aufgenommen werden, als es eigentlich notwendig wäre, erklärte Janisch. Grund sei unter anderem auch der Fachkräftemangel.

Erfreulich sei hingegen, dass mit dem Angebot eine breitere Bevölkerungsschicht erreicht werden konnte, als dies noch vor einigen Jahren der Fall gewesen sei, betonte Marcel Globisch, Vorstand des Deutschen Kinderhospizvereins. Es müsse das Ziel sein, möglichst viele Betroffene über die Versorgungsstrukturen von Kinderhospizen und Palliativangeboten in Deutschland aufzuklären und zu erreichen.

Erklärfilm bietet Überblick über Versorgung

Im Rahmen der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland entstand deshalb ein Film, der betroffenen Familien nun in aller Kürze erklärt, wie die Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche in Deutschland funktioniert, zu welchen Zeitpunkten die Angebote in Anspruch genommen werden können und welche Möglichkeiten sie bieten.

„Viele Betroffene kennen das umfassende Unterstützungssystem noch nicht. Der Film hilft, diese Informationslücke zu schließen“, betonte Lisa Paus (Grüne), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in einer Videobotschaft. Betroffene Familien müssten umfassend entlastet werden, da sie den größten Teil der Versorgung schultern würden. Mit Hilfe der Hospiz- und Palliativversorgung sei dies möglich, sagte die Ministerin.

„In der Gesellschaft ist es noch weit verbreitet, Hospiz- und Palliativarbeit direkt mit dem Sterben zu verbinden“, sagte Franziska Kopitzsch, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz. Betroffene Familien würden dadurch unnötig stigmatisiert.

„Im Bereich der Erwachsenen ist dies auch häufig der Fall“, sagte Boris Zernikow, Kinder- und Jugendarzt am Zentrum für Seltene Erkrankungen Ruhr, Standort Datteln, und Leiter des Filmprojekts. „Anders als Erwachsene leiden lebensbedrohlich erkrankte Kinder jedoch fast immer an seltenen Erkrankungen.“ Er wies darauf hin, dass betroffene Familien die Angebote ab der Diagnosestellung, also vielmehr lebensbegleitend und nicht ausschließlich zum Lebensende, in Anspruch nehmen könnten.

Der Film erklärt: „Ziele der Hospizarbeit für Kinder und Jugendliche sowie der pädiatrischen Palliativversorgung sind, die Lebensqualität des Kindes und seiner Familie zu verbessern oder möglichst lange zu erhalten sowie die Teilhabe am täglichen Leben zu unterstützen.“ Die Entlastung im Familienalltag und unterstützende Gespräche würden genauso zum Angebot gehören wie die Linderung von Schmerzen und weitere pflegerische Hilfen.

Der Unterschied zwischen der Kinder- und Erwachsenenpalliativversorgung stellt aus Sicht der Experten eine große Schwierigkeit dar. Sobald lebensverkürzend erkrankte Kinder das 18. Lebensjahr erreichen, stehen sie vor einer Versorgungslücke: Kinderkliniken dürfen die Versorgung ab diesem Alter nicht mehr übernehmen, Erwachsenenversorger können sie oft nicht leisten.

An dieser Stelle könnte den Fachleuten zufolge künftig eine große Problematik entstehen. Durch den medizinischen Fortschritt erreichen immer mehr betroffene Kinder das Erwachsenenalter, während zugleich zu wenig Versorgungsplätze zur Verfügung stehen und die Erwachsenenpalliativversorgung nicht auf seltene Erkrankungen und lebensbegleitende Angebote vorbereitet ist.

Die Fachverbände appellierten an die Politik, diese Umstände zu berücksichtigen und sich rechtzeitig um geeignete Maßnahmen zu kümmern, um die Versorgung lebensverkürzend erkrankter junger Erwachsener sicherzustellen.

nfs

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