Politik

Fakten nicht igno­rieren, Verschwörungs­theorien widersprechen

  • Donnerstag, 14. Mai 2020
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier /picture alliance, Bernd von Jutrczenka
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier /picture alliance, Bernd von Jutrczenka

Berlin − Angesichts zunehmender Verschwörungstheorien zur Coronapandemie hat Bun­despräsident Frank-Walter Steinmeier zu Vernunft in der politischen Debatte aufgerufen. Den kritischen Austausch müsse es geben, sagte er heute bei einer Besichtigung des neu­en Reservekrankenhauses auf dem Berliner Messegelände. Die Demokratie zeichne sich durch das Vorhandensein einer kriti­schen Öffentlichkeit aus.

„Ja, solche Kritik, nachfragende Kritik muss es immer geben“, betonte er. „Politik muss sich rechtfertigen, das tut sie auch. Wir diskutieren immer wie­der neu, wel­che Maßnah­men noch aufrechtzuerhalten sind, wo gelockert werden darf.“ Er hoffe jedoch, dass „nicht diejenigen die Debatte bestimmen, die mit realitätsfremden Thesen im Augenblick an die Öffentlichkeit treten“.

Er hoffe darüber hinaus, dass „Tatsachen und Fakten nicht igno­riert werden, und dass wir uns mit Ver­nunft aus der gegenwärtigen Situation befreien“. Er sei selbst medizinischer Laie. „Trotz­dem traue ich mich zu behaupten, dass unter den Ge­sichtspunkten des Virus­schutzes der vielleicht manchmal unbequeme und lästige Mund­schutz empfehlenswerter ist als der Aluhut.“

Die zuneh­men­den Demonstrationen in vielen Städten Deutschlands gegen die Maßnah­men gegen die Coronapandemie er­wähnte Steinmeier nicht ausdrücklich. Am vergange­nen Wochenende hatten tausende Menschen in Berlin, Stuttgart, München und anderen deutschen Städten gegen die Coronabeschränkungen demonstriert. In der Politik wächst die Sorge, dass die Proteste zunehmend von Extremisten vereinnahmt werden könnten.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung rief heute zu Widerspruch gegen Hass und Verschwörungstheorien auf. „Es wäre wichtig, Leuten, die so etwas aussprechen, Druck zu machen“, sagte Felix Klein der Süddeutschen Zeitung heute. „Es muss für sie un­angenehm werden, wenn sie ihre Hassbotschaften verbreiten. Hass ist keine Meinung“, so der Antisemitismusbeauftragte. „Es bedroht uns alle, wenn Verschwörungsmythen unwi­der­sprochen bleiben.“

Das Spektrum der Demonstranten lasse sich offenbar nicht mehr nach dem „klassischen Links-Rechts-Schema“ einordnen, fügte der Antisemitismusbeauftragte hinzu. „Auf Demos haben wir Rechtsradikale und Linksradikale gesehen, zusammen mit Menschen, die An­liegen verfolgen, über die sich diskutieren lässt.“

Man könne sich beispielsweise gegen Impfpflicht aussprechen. „Aber das wird von radika­lisierten Gruppen ausgenutzt, um den Staat zu untergraben. Das ist eine neue Qualität, dem müssen wir mit Entschiedenheit entgegentreten“, sagte Klein.

Der Bundespräsident ließ sich heute von Projektleiter Albrecht Broemme das Coronakran­ken­haus zeigen, das innerhalb eines Monats in einer Messehalle errichtet worden war. Er äu­ßerte seinen „allergrößten Respekt“ für diese Geschwindigkeit und die enge Zusam­men­­arbeit von Verwaltung, Genehmigungsbehörden, Politik, Planern, Ingenieuren, Hand­wer­kern und Medizinern. „Das Ziel ist erreicht, wenn dieses Zentrum nie benutzt werden muss“, zitierte Steinmeier einen früheren Satz Broemmes.

In dem Reservekrankenhaus gibt es zunächst 486 Betten, von denen 20 Prozent für Inten­sivpatienten vorgesehen sind. Bei Bedarf kann die Kapazität verdoppelt werden. Hier soll­en COVID-19-Patienten aufgenommen werden, wenn in den anderen Kliniken der Haupt­stadt kein Platz mehr für sie ist.

dpa/afp/may

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