Fakten nicht ignorieren, Verschwörungstheorien widersprechen

Berlin − Angesichts zunehmender Verschwörungstheorien zur Coronapandemie hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Vernunft in der politischen Debatte aufgerufen. Den kritischen Austausch müsse es geben, sagte er heute bei einer Besichtigung des neuen Reservekrankenhauses auf dem Berliner Messegelände. Die Demokratie zeichne sich durch das Vorhandensein einer kritischen Öffentlichkeit aus.
„Ja, solche Kritik, nachfragende Kritik muss es immer geben“, betonte er. „Politik muss sich rechtfertigen, das tut sie auch. Wir diskutieren immer wieder neu, welche Maßnahmen noch aufrechtzuerhalten sind, wo gelockert werden darf.“ Er hoffe jedoch, dass „nicht diejenigen die Debatte bestimmen, die mit realitätsfremden Thesen im Augenblick an die Öffentlichkeit treten“.
Er hoffe darüber hinaus, dass „Tatsachen und Fakten nicht ignoriert werden, und dass wir uns mit Vernunft aus der gegenwärtigen Situation befreien“. Er sei selbst medizinischer Laie. „Trotzdem traue ich mich zu behaupten, dass unter den Gesichtspunkten des Virusschutzes der vielleicht manchmal unbequeme und lästige Mundschutz empfehlenswerter ist als der Aluhut.“
Die zunehmenden Demonstrationen in vielen Städten Deutschlands gegen die Maßnahmen gegen die Coronapandemie erwähnte Steinmeier nicht ausdrücklich. Am vergangenen Wochenende hatten tausende Menschen in Berlin, Stuttgart, München und anderen deutschen Städten gegen die Coronabeschränkungen demonstriert. In der Politik wächst die Sorge, dass die Proteste zunehmend von Extremisten vereinnahmt werden könnten.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung rief heute zu Widerspruch gegen Hass und Verschwörungstheorien auf. „Es wäre wichtig, Leuten, die so etwas aussprechen, Druck zu machen“, sagte Felix Klein der Süddeutschen Zeitung heute. „Es muss für sie unangenehm werden, wenn sie ihre Hassbotschaften verbreiten. Hass ist keine Meinung“, so der Antisemitismusbeauftragte. „Es bedroht uns alle, wenn Verschwörungsmythen unwidersprochen bleiben.“
Das Spektrum der Demonstranten lasse sich offenbar nicht mehr nach dem „klassischen Links-Rechts-Schema“ einordnen, fügte der Antisemitismusbeauftragte hinzu. „Auf Demos haben wir Rechtsradikale und Linksradikale gesehen, zusammen mit Menschen, die Anliegen verfolgen, über die sich diskutieren lässt.“
Man könne sich beispielsweise gegen Impfpflicht aussprechen. „Aber das wird von radikalisierten Gruppen ausgenutzt, um den Staat zu untergraben. Das ist eine neue Qualität, dem müssen wir mit Entschiedenheit entgegentreten“, sagte Klein.
Der Bundespräsident ließ sich heute von Projektleiter Albrecht Broemme das Coronakrankenhaus zeigen, das innerhalb eines Monats in einer Messehalle errichtet worden war. Er äußerte seinen „allergrößten Respekt“ für diese Geschwindigkeit und die enge Zusammenarbeit von Verwaltung, Genehmigungsbehörden, Politik, Planern, Ingenieuren, Handwerkern und Medizinern. „Das Ziel ist erreicht, wenn dieses Zentrum nie benutzt werden muss“, zitierte Steinmeier einen früheren Satz Broemmes.
In dem Reservekrankenhaus gibt es zunächst 486 Betten, von denen 20 Prozent für Intensivpatienten vorgesehen sind. Bei Bedarf kann die Kapazität verdoppelt werden. Hier sollen COVID-19-Patienten aufgenommen werden, wenn in den anderen Kliniken der Hauptstadt kein Platz mehr für sie ist.
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