Finanzdefizit der Krankenkassen vergrößert sich

Berlin – Bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergrößert sich das Finanzdefizit immer weiter. Das zeigen die sogenannten KV-45-Zahlen aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die heute vorgelegt wurden.
Demnach haben die 102 Krankenkassen im 1. bis 3. Quartal dieses Jahres ein Defizit von knapp 3,2 Milliarden Euro verbucht. Einnahmen der Krankenkassen in Höhe von 208,0 Milliarden Euro standen im 1. bis 3. Quartal Ausgaben von rund 211,2 Milliarden Euro gegenüber.
Zur Erinnerung: In den ersten sechs Monaten des Jahres hatte sich das Defizit der GKV auf 1,9 Milliarden Euro erhöht. Im ersten Quartal des laufenden Jahres lag das Minus noch bei 148 Millionen Euro.
Zu berücksichtigen ist, dass die Kassen von Januar bis Ende September rund sechs Milliarden Euro ihrer Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abgeführt haben. Die Finanzreserven der Krankenkassen lagen zum Stichtag 30. September bei 13,6 Milliarden Euro. Der Gesundheitsfonds erzielte in den Monaten von Januar bis September ein saisonübliches Defizit von 2,0 Milliarden Euro.
Die Zahlen zeigten, dass die Pandemie „immer deutlichere Spuren bei den Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen“ hinterlasse, sagte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Deshalb greife man der GKV in diesem und im nächsten Jahr durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss unter die Arme.
Mit der durch das neue Parlament im November verabschiedeten Bundeszuschussverordnung 2022 seien die Voraussetzungen für eine stabile Finanzierungsgrundlage der GKV auch im kommenden Jahr geschaffen worden, so der Ministerium.
Zusätzlich zu den jährlichen 14,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln erhalten die Kassen im kommenden Jahr einen ergänzenden Bundeszuschuss in Höhe von 14 Milliarden Euro. Damit soll der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz mit 1,3 Prozent auch im Jahr 2022 stabil bleiben. Die Krankenkassen erhielten rechtzeitig verlässliche Kalkulationsgrundlagen für ihre Haushaltsbeschlüsse.
Die Kassen selbst gehen nicht davon aus, dass die Mittel mittelfristig ausreichen. Die vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2021 werden Anfang März 2022 vorliegen.
Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2021 über eine Liquiditätsreserve in einer Größenordnung von rund 5,9 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. bis 3. Quartal 2021 ein Defizit von rund 2,0 Milliarden Euro. Dieses Defizit entspricht laut BMG in etwa dem Niveau der vergangenen Jahre, wenn Coronasondereffekte rausgerechnet werden.
Für pandemiebedingte Aufwendungen wie beispielsweise Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser, Testen, Impfen oder auch Schutzmasken wurden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bis Ende September insgesamt rund 15,3 Milliarden Euro ausgezahlt. Davon hat der Bund im 1. bis 3. Quartal rund 15,0 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds erstattet.
Betrachtet man die Einnahmen und Ausgabenentwicklung, steigen die Ausgaben derzeit schneller als die Einnahmen. So blieb der Zuwachs der Beitragseinnahmen mit 3,0 Prozent weiter hinter den Veränderungsraten der Vorkrisenjahre mit durchschnittlich über vier Prozent zurück.
Bei den Krankenkassen gab es im 1. bis 3. Quartal auf der Gegenseite einen absoluten Ausgabenzuwachs für Leistungen und Verwaltungskosten von 4,8 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen um 5,1 Prozent, bei den Verwaltungskosten gab es einen Rückgang um 1,2 Prozent.
Bei der Betrachtung der einzelnen Quartale ist seit dem Beginn der Pandemie eine deutliche wellenförmige Ausgabenentwicklung festzustellen, wie das Ministerium schreibt. Dabei spielten insbesondere Lockdowns und Nachholeffekte eine bedeutende Rolle. Allerdings ist es den Daten nach im 3. Quartal zu einer „deutlich abgeflachten Ausgabenentwicklung“ gekommen.
Ausgabenentwicklung in einzelnen Leistungsbereichen
Im Bereich der ärztlichen Behandlung kam es zu einem Ausgabenanstieg von 1,8 Prozent, nachdem im 1. Halbjahr der Anstieg noch 6,8 Prozent betragen hatte. Dies dürfte laut BMG auch auf das Korrekturverfahren zur Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung aus dem Terminservice‐und Versorgungsgesetz zurückzuführen sein.
Da für das 2. und 3. Quartal noch keinerlei Abrechnungsdaten der Ärzte vorliegen, sind diese Veränderungsraten jedoch noch sehr unsicher und in hohem Maße von Einschätzungen der Krankenkassen geprägt.
Auch bei den Krankenhausausgaben, die im 1. Halbjahr noch um 5,7 Prozent gestiegen sind, verbuchten die Krankenkassen im 1. bis 3. Quartal wieder einen deutlich geringeren Anstieg von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser bis Ende September rund 5,1 Milliarden Euro aus Steuermitteln für freigehaltene Betten erhielten.
Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen im 1. bis 3. Quartal um 6,2 Prozent nach 4,1 Prozent im ersten Halbjahr. Bei den Krankengeldausgaben, die einen Anstieg von 3,1 Prozent verzeichneten, ist das hohe Ausgabenniveau im Vorjahreszeitraum (+ 12,0 Prozent) zu berücksichtigen.
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