Finanzministerium: Kassen sollen planbare Operationen steuern

Berlin – Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat die Krankenhauslandschaft in Deutschland kritisiert. „Es gibt stationäre Überkapazitäten und gleichzeitig apparativ schlecht ausgestattete Krankenhäuser“, heißt es in dem Gutachten „Über- und Fehlversorgung in deutschen Krankenhäusern: Gründe und Reformoptionen“, das der Beirat gestern veröffentlicht hat. So verfügten 19 Prozent der deutschen Plankrankenhäuser über keine Intensivbetten und 34 Prozent über keinen eigenen Computertomografen.
Der Beirat kritisierte, dass es zu viele kleine Krankenhäuser in Deutschland gibt: „52 Prozent der allgemeinen Krankenhäuser haben weniger als 200 Betten. Nach dem Stand der Literatur lassen sich Krankenhäuser mit weniger als 200 Betten aber im Regelfall nicht kosteneffizient betreiben.“
Bundesländer haben wenig Nutzen von der Schließung eines Krankenhauses
Das 36-köpfige Gremium monierte, dass die Bundesländer ihren Aufgaben sowohl im Rahmen der Krankenhausplanung als auch im Rahmen der Investitionskostenfinanzierung nicht nachkommen. „Nach der geltenden Kompetenzverteilung wäre es grundsätzlich Aufgabe der Länder, überzählige Krankenhäuser zu schließen und die verbleibenden bedarfsgerecht zu stärken“, heißt es in dem Gutachten. „Dazu kommt es aber nicht in dem wünschenswerten Maße. Das dürfte daran liegen, dass die politischen Kosten der Schließung eines Krankenhauses den politischen Nutzen in aller Regel übersteigen.“ Die Schließung eines Krankenhauses zu vertreten, sei schwieriger, als die Dinge laufen zu lassen.
Auch die angemessene Ausstattung der Krankenhäuser mit Investitionsmitteln funktioniere nicht. „Die Länder haben längst ihr Handeln an der Erfahrung ausgerichtet, dass Krankenhäuser auch mit einer unzulänglichen Investitionsfinanzierung zurechtkommen“, kritisieren die Autoren des Gutachtens.
Beirat fordert monistische Finanzierung durch die Krankenkassen
Das hat Auswirkungen auf die medizinische Versorgung der Patienten. Denn „die Einrichtungen beschaffen sich die fehlenden Investitionsmittel, indem sie die Leistungsmenge ausdehnen“. Die Fallpauschale, die ihnen ein operativer Eingriff einbringt, decke schließlich nicht nur die variablen Betriebskosten, sondern sie lasse sich in Teilen auch verwenden, um notwendige Investitionen zu finanzieren. Das entspreche zwar nicht der geltenden Kompetenzverteilung, werde aber toleriert.
Zur Lösung des Problems schlägt der Beirat vor, die heutige duale Krankenhausfinanzierung auf eine monistische umzustellen, also die Finanzierung sowohl der Betriebsmittel als auch der Investitionskosten von den gesetzlichen Krankenkassen vornehmen zu lassen. „Damit würde die Last der Investitionsfinanzierung letztlich vom Steuerzahler auf den Beitragszahler übergehen“, heißt es in dem Gutachten. „Besser als heute wäre dadurch gewährleistet, dass notwendige Investitionen nicht an fehlenden Steuereinnahmen scheitern. Allerdings würden die Länder ihre Finanzierungskompetenz einbüßen.“
Gutachten schlägt Wahltarife für planbare Operationen vor
Zudem schlägt der Beirat vor, dass die Krankenkassen künftig planbare Operationen steuern. Dafür würden die Kassen Verträge mit ausgewählten Krankenhäusern abschließen. Versicherte, die sich in spezielle Wahltarife einschreiben, würden bei planbaren Operationen dann in diesen Krankenhäusern operiert werden. „Damit würde zwar die Freiheit der Therapiewahl eingeschränkt; der Über- und Fehlversorgung an deutschen Krankenhäusern könnte auf diesem Wege aber spürbar entgegengewirkt werden“, heißt es. Auf diesem Weg sollen „die Möglichkeiten der Krankenhäuser eingeschränkt werden, über den medizinischen Bedarf hinaus zu operieren“.
Es sei zu erwarten, „dass sich Versicherte dem selektivvertraglichen Versorgungsmanagement in der Erwartung anvertrauen, nicht nur von einer besseren Versorgungsqualität zu profitieren, sondern auch von geringeren Versicherungskosten“. Solche Wahltarife dürften nach Ansicht des Beirats kostengünstiger sein, weil seltener über das medizinisch indizierte Maß hinaus operiert würde.
„Stationäre Einrichtungen, die den Erwartungen nicht entsprechen, kämen sicherlich unter Druck“, heißt es weiter in dem Gutachten. „Sie müssten entweder umstrukturieren oder den Betrieb einstellen. Bei den verbleibenden Einrichtungen wären eine stärkere Spezialisierung und eine bessere Ausschöpfung von Größenvorteilen zu erwarten.“
DKG: Es gibt eher Engpässe als Überkapazitäten
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) widersprach dem Wissenschaftlichen Beirat in einer Stellungnahme. „Tatsache ist, dass in immer mehr medizinischen Versorgungsbereichen und in immer mehr Regionen eher Engpässe als Überkapazitäten im Krankenhausbereich existieren“, erklärte DKG-Präsident Gerald Gaß. Das sei im Frühjahr, als durch die Grippewelle hundertfach Patienten auf den Gängen versorgt worden seien, ebenso deutlich geworden wie durch die zunehmenden Meldungen über Zugangsprobleme zu Geburtsabteilungen.
„In keiner Weise besser würde die Versorgung über Selektivverträge in den Händen der Krankenkassen“, fuhr Gaß fort. „Medizinische Daseinsvorsorge muss politisch verantwortet bleiben. Es wäre eine Bankrotterklärung der Politik, diese zentrale Verantwortung auf die Krankenkassen zu übertragen.“ Wer auf Zentralisierung und Selektivverträge setze, riskiere große Versorgungslücken und Wartelisten für die Patienten, wie sie aus anderen Ländern bekannt seien.
Auch die DKG sprach sich jedoch dafür aus, die Krankenhausfinanzierung nach heutigem Modell zu beenden. „Wenn die Bundesländer die im Gesetz vorgesehene Investitionsmittelbereitstellung weiterhin nicht gewährleisten können, dann muss die chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser durch Bundesmittel beendet werden“, sagte Gaß.
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