Ärzteschaft

Früherkennung psychischer Erkrankungen sollte ausgebaut werden

  • Freitag, 6. Oktober 2017
Uploaded: 17.02.2014 17:50:54 by mis
/dpa

Berlin – Vor Beginn des World Congress of Psychiatry werben die Veranstalter dafür, die Prävention und die Früherkennung psychischer Erkrankungen zu stärken. Bereits in der Schule müsse bei Kindern und Jugendlichen, Eltern und Lehrern das Bewusstsein für psychische Gesundheit geschärft werden, sagte der Präsident der World Psychiatric Association (WPA), Dinesh Bhugra, heute vor der Presse in Berlin. Er wies darauf hin, dass 75 Prozent aller schweren psychischen Erkrankungen vor dem 24. Lebensjahr beginnen.

Peter Falkai, lokaler Kongressrepräsentant der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenkeilkunde (DGPPN) für den Weltkongress, erläuterte, dass es eine flächendeckende Versorgung mit Gedächtnisambulanzen zur Früherkennung von Demenzerkrankungen gebe. Zur Früherkennung von psychischen Erkrankungen stünden deutschlandweit indes nur 15 Zentren an Kliniken zur Verfü­gung. „Australien und Großbritannien sind wesentlich weiter als wir – wir brauchen Früherkennungszentren flächendeckend, denn je früher die Diagnostik beginnt, desto besser“, sagte Falkai.

Millionen Betroffene

Rund 300 Millionen Menschen weltweit leiden nach Angaben der DGPPN an Depressionen, 47 Millionen sind an Demenz erkrankt, und etwa 21 Millionen von einer Schizophrenie betroffen. In Europa betragen die Kosten, die durch psychische Erkrankungen entstehen, schätzungsweise 450 Milliarden Euro. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 17,8 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung.

„Die DGPPN steht für eine lange Tradition der Auseinandersetzung“, betonte der derzeitige Präsident Arno Deister. Bei dem Weltkongress der Psychiatrie ziehe sich deshalb auch das trialogische Konzept durch die Inhalte der Veranstaltungen. Darüber hinaus stehe die Auseinandersetzung mit den Klassifikationssystemen im Fokus sowie die Förderung des Nachwuchses.

Mehr Aufklärung und Information für Angehörige

Im Trialog mit Betroffenen und Angehörigen wurde auch die Pressekonferenz organisiert: So setzte sich Janine Berg-Peer, Vertreterin der Angehörigen psychisch Kranker, für einen stärkeren Einbezug der Familien ein. „Wir brauchen vom Beginn der Erkrankung unserer Kinder an mehr Aufklärung und Information“, forderte sie. Psychoedukative Gruppen für Angehörige oder ähnliche Angebote seien nicht flächendeckend vorhanden, schon gar nicht in ländlichen Regionen.

Berg-Peer, rief auch dazu auf, die Eltern nicht grundsätzlich als Schuldige anzusehen, wenn das Kind an einer psychischen Erkrankung leide. Das führe im schlimmsten Fall dazu, dass die Eltern sich nicht mehr um ihre psychisch erkrankten Kinder kümmerten. „Dazu kann ich keine Studien nennen, aber ich habe im Lauf der Jahre wenig Angehörige in psychiatrischen Kliniken gesehen“, sagte die Mutter einer psychisch kranken Tochter.

Kritik: Zwangsbehandlungen immer noch viel zu häufig

Margret Osterfeld, Fachärztin für Psychiatrie und selbst Betroffene, kritisierte, dass „Freiheitsentzüge“ beziehungsweise Zwangseinweisungen und Zwangsbehandlungen in Deutschland immer noch viel zu häufig stattfänden. „Auch Menschen mit psychischen Erkrankungen sind Rechteträger und dürfen nicht ausgegrenzt werden“, betonte sie. Ebenso wenig dürfe die Früherkennung von psychischen Erkrankungen zu einer frühen Medikalisierung führen.

Der World Congress of Psychiatry findet alle drei Jahre statt, diesmal vom 8. bis zum 12. Oktober in Berlin. Das Motto lautet in diesem Jahr: „Psychiatrie im 21. Jahrhundert: Kontext, Kontroversen und Einsatz“. Rund 9.200 Teilnehmer aus 130 Nationen und rund 3.000 nationale und internationale Experten werden erwartet.

PB

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