Frühwarnzeichen für Tötungsdelikte in Kliniken und Heimen erkennen
Stuttgart – Bei Tötungsserien von Patienten oder Heimbewohnern sind in der Vergangenheit häufig mehrere Jahre zwischen dem ersten Verdacht und der Verhaftung der Täter vergangen. Das zeigen Ergebnisse einer Analyse in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift. Darin sind zwölf Tötungsserien analysiert, die im deutschsprachigen Raum bis Februar 2022 abschließend verhandelt wurden.
„In dieser Zeit geschahen viele weitere Tötungen, die bei schnellerer Aufklärung hätten verhindert werden können“, sagte Karl Beine. Er hat bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke inne und forscht seit vielen Jahren zu Patiententötungen.
Beine zeigt auf, welche Gemeinsamkeiten es zwischen den Täterinnen und Tätern gab, welche Faktoren die Tötungen begünstigten und was getan werden könnte, um das Risiko zu reduzieren. Laut der Analyse fielen die Täter oft durch Persönlichkeitsveränderungen im Kollegenkreis auf. Sie zogen sich zurück, tendierten zu einer zynisch-abwertenden, verrohten Sprache und aggressiven Ausbrüchen.
In vielen Fällen schöpften die Arbeitskollegen bereits früh Verdacht, äußerten ihn aber nicht. „Hier mangelt es oft am Aufklärungswillen, sei es aus Angst vor persönlichen Konsequenzen oder aus Sorge um den Ruf der Einrichtung“, berichtete Beine.
Oft hätten die Täter bereits früh einschlägige Spitznamen wie „Todesengel“, „Hexe“ oder „Vollstrecker“ erhalten, weil in ihrer Dienstzeit besonders viele, auch unerwartete Todesfälle, auftraten. Solche objektiv messbaren Auffälligkeiten im Behandlungsablauf, zu denen auch ein gesteigerter Medikamentenverbrauch zähle, müssten als Warnzeichen ernster genommen werden, so der Experte.
Wichtig sei, das Personal darüber aufzuklären, dass Tötungen in jeder Klinik und in jedem Heim grundsätzlich möglich seien, betont er. Im Idealfall solle das Thema bereits in der medizinischen und pflegerischen Ausbildung zur Sprache kommen, um die Aufmerksamkeit für mögliche Warnsignale zu schärfen.
Außerdem gelte es, eine von Vertrauen geprägte Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der Probleme und Verdachtsmomente offen angesprochen werden könnten. Beine mahnt außerdem an, bei Leichenschau sorgfältiger vorzugehen und häufiger als bisher toxikologische Untersuchungen zu veranlassen.
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