Ärzteschaft

Funktionelle Sehstörungen bei Kindern häufig

  • Dienstag, 4. September 2018
/Andrey Popov, stockadobecom
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Berlin – Bei rund ein bis zwei Prozent aller Kinder, die sich in augenärztliche Behandlung begeben, stecken hinter den Sehproblemen nicht körperliche Ursachen, sondern ein seelischer Konflikt. Auf diese Expertenschätzung weist die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) hin. Mädchen seien von solchen funktionellen Sehstörungen häufiger betroffen als Jungen.

Laut der Fachgesellschaft ist der Augenarzt meist die erste Anlaufstelle, wenn Kinder über Sehprobleme klagen. Er kläre dann, ob ein organischer Grund für die Verschlechterung vorliege, erläuterte die Präsidentin der DOG, Nicole Eter. Mitunter zeige sich dann, dass Hornhaut, Linse, Sehnerv und Makula in Ordnung seien und auch keine Fehlsichtigkeit vorliege, gegen die eine Brille helfen würde.

„Nun aber gleich an schwere Erkrankungen wie Hirntumor oder Multiple Sklerose zu denken und eine aufwändige Diagnostik etwa in Form von Kernspintomografie oder Rückenmarks­punktion zu bemühen, wäre der falsche Weg“, erläuterte der Neuro-Ophthalmologe Helmut Wilhelm von der Universitäts-Augenklinik Tübingen.

Vielmehr sollte der Augenarzt zunächst versuchen, aktiv zu beweisen, dass die Sehfunktion eigentlich intakt ist. Der Ophthalmologe könne durch verschiedene Untersuchungsstrategien Situationen schaffen, in denen erkennbar werde, dass subjektive Aussagen zu Sehschärfe oder zum Gesichtsfeld nicht mit objektiven Befunden übereinstimmten. „Einem erfahrenen Augenarzt wird es sehr schnell auffallen, wenn Angaben gemacht werden, die so nicht zutreffen können“, so Wilhelm.

In den seltensten Fällen handle es sich dabei um eine bewusste Täuschung. In der Regel leide das Kind vielmehr unter einem inneren Konflikt, für den es keine Lösung wisse. „Es handelt sich gewissermaßen um einen Hilferuf der Seele, der unsere Reaktion erfordert, gemeinsam mit Kinderärzten und Kinderpsychiatern“, so der DOG-Experte.

Laut der Fachgesellschaft stehen bei den Ursachen innerfamiliäre Konflikte (30 Prozent) sowie Schulprobleme (25 Prozent) an erster und zweiter Stelle. Oftmals blieben die Gründe aber ungeklärt.

In etwa 90 Prozent der Fälle verschwinden die Beschwerden entweder relativ rasch von selbst oder nach einer kurzen Placebotherapie beispielsweise mittels einer schwachen, an sich nicht notwendigen Brille oder wirkstofffreien Augentropfen. „Nach allem, was wir wissen, ist eine funktionelle Sehstörung zudem kein Zeichen, das eine spätere psychiatrische oder psychosomatische Erkrankung ankündigt“, so Wilhelm.

hil

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