Ausland

G20-Staaten verpassen Weltklimakonferenz einen herben Dämpfer

  • Montag, 1. November 2021
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Erin Schaff
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Rom – Zu Beginn der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow haben die Hoffnungen auf wirksame Schritte gegen die gefährliche Erderhitzung einen herben Dämpfer erhalten. Die führenden Wirtschafts­mächte konnten sich gestern bei ihrem G20-Gipfel im italienischen Rom nicht auf ehrgeizige gemein­sa­me Klimaziele einigen. Die Abschlusserklärung enthält weder für die wichtige Kohlendioxidneutralität noch für den Ausstieg aus der Kohleverstromung ein konkretes Zieldatum.

Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete die Beschlüsse nach ihrem wohl letzten G20-Gipfels trotzdem als „gutes Signal“ für Glasgow. Klimaschützer zeigten sich dagegen enttäuscht von der Haltung der G20-Staaten, die 80 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase produzieren. UN-General­se­kretär António Guterres, der gestern vom G20- zum Klimagipfel weiterreiste, twitterte: „Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen – aber wenigsten sind sie nicht beerdigt.“

In den kommenden zwei Wochen ringen in Glasgow rund 200 Staaten darum, wie die Erderwärmung auf ein noch erträgliches Maß eingedämmt werden kann. Die bisherigen Pläne der Staaten reichen zur Ab­wen­dung der drohenden Klimakatastrophe bei weitem nicht aus.

Die Erde hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Niveau schon jetzt um etwa 1,1 Grad erwärmt; in Deutschland sind es bereits 1,6 Grad. In Paris hatte sich die Staatengemeinschaft vor sechs Jahren darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad, zu begrenzen.

Die G20 bekräftigt in der Gipfelerklärung nur, dass sie weiter den Zielen des Pariser Abkommens ver­pflich­­tet sei. Experten halten dafür aber eine deutliche Nachbesserung der Aktionspläne der einzel­nen Länder für erforderlich.

Merkel wertete es als Erfolg, dass sich die „Gruppe der 20“ überhaupt erstmals seit 2016 wieder gemein­sam zum Pariser Abkommen bekannt hätten. Danach war US-Präsident Donald Trump ausgestiegen. Sein Nachfolger Joe Biden, der in Rom erstmals an einem regulären G20-Gipfel teilnahm, machte diesen Schritt als eine seiner ersten Amtshandlungen wieder rückgängig.

Der Papst ermutigte vor der Klimakonferenz alle Staaten zu mehr Klimaschutz. „Beten wir, dass der Schrei der Erde und der Schrei der Armen gehört werden“, sagte Franziskus vor zahlreichen Menschen auf dem Petersplatz in Rom.

G20 will Impfkampagnen in armen Ländern stärken

Zweites großes Thema in Rom war die Pandemiebekämpfung. Die G20 stellte sich klar hinter das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), bis Jahresende 40 Prozent der Bevölkerung in allen Ländern zu impfen und bis Mitte 2022 eine Impfrate von 70 Prozent zu erreichen.

Die Staatengruppe will dafür die Versorgung mit Impfstoffen ausweiten und Liefer- und Finanzierungs­hindernisse beseitigen, wie es in der Gipfelerklärung heißt. Auch die internationale Covax-Plattform zur Verteilung von Impfstoffen, die bisher ihre Ziele nicht erreichen konnte, soll wirksamer arbeiten können.

Die G20-Staaten wollen auch lokale Herstellungskapazitäten unterstützen, indem Drehscheiben für Technologietransfer in verschiedenen Regionen gefördert werden. Genannt werden neu gegründete regionale Zentren in Südafrika, Brasilien und Argentinien.

Auf die von G20-Staaten wie Südafrika, Indien und China geforderte Aussetzung von Patenten geht das Dokument nicht ein. Während in reichen Ländern heute schon rund 70 Prozent geimpft sind, liegt die Quote in armen Ländern teils nur bei drei Prozent.

Schnelle Umsetzung der Unternehmensbesteuerung gefordert

Deutschland und die anderen führenden Wirtschaftsmächte forderten in Rom auch eine schnelle Umset­zung der Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung. Man rufe dazu auf, zügig die notwen­digen Vorschriften und Instrumente zu entwickeln, heißt in der Abschlusserklärung. Es gelte sicherzu­stellen, dass die Reform 2023 in Kraft treten könne.

Die Einigung auf die globale Mindeststeuer und einen neuen Steuerverteilmechanismus sei eine „histo­rische Errungenschaft“, mit der man ein stabileres und gerechteres internationales Steuersystem schaffen werde. Merkel (CDU) nannte sie „ein klares Gerechtigkeitssignal in Zeiten der Digitalisierung“.

Ziel der Reform ist es vor allem, die Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Steueroasen zu verhin­dern. Große, international tätige Firmen sollen deswegen spätestens 2023 unabhängig von ihrem Sitz mindestens 15 Prozent Steuern zahlen.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat nach dem Ende des Gipfeltreffens der 20 großen Wirtschafts­nationen die Ergebnisse verteidigt. „Dieser Gipfel war ein Erfolg“, sagte der 74-Jährige auf der Abschluss­pressekonferenz gestern Abend in Rom und hob das Bekenntnis der G20 zu dem Ziel von 2015 hervor, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auch mit der Zusage, die Finanzierung der Kohle zur Stromgewinnung zu beenden, habe man ein wichtiges Ziel erreicht.

Klimaschützer zeigten sich von dem Ergebnis des zweittätigen Gipfels der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Rom dagegen enttäuscht. Die Abschlusserklärung enthält weder für die wichti­ge Kohlendioxidneutralität noch für den Ausstieg aus der Kohleverstromung ein konkretes Zieldatum. UN-Generalsekretär António Guterres, der gestern vom G20- zum Klimagipfel in Glasgow weiterreiste, twitterte: „Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen - aber wenigstens sind sie nicht beerdigt“. Die G20-Gruppe ist für 80 Prozent der Emissionen weltweit verantwortlich.

Draghi sah in dem Gipfeltreffen eine Rückkehr zur Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Einige Länder seien anfangs nicht gewillt gewesen, von ihren Positionen abzurücken, man habe sie aber dennoch „mit der richtigen Sprache“ überzeugen können. Ohne Zusammenarbeit gehe man bei Themen wie Klima und Gesundheit nirgendwo hin. „Wir können das nicht alleine gewinnen“, sagte der frühere Chef der Europäi­schen Zentralbank.

Die G20 will etwa für eine bessere Verteilung von Coronaimpfstoffen in der Welt sorgen, wie aus der Abschlusserklärung hervorgeht. Dies soll dabei helfen, das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu erreichen, bis Jahresende 40 Prozent der Bevölkerung „in allen Ländern“ zu impfen und bis Mitte 2022 eine Impfrate von 70 Prozent zu erreichen.

dpa

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