Ärzteschaft

Gallenwegskrebs: Österreichischer Expertenkonsensus weicht leicht von deutscher S3-Leitlinie ab

  • Dienstag, 26. September 2023
/microscience, stock.adobe.com
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Wien – Ein neuer Expertenkonsensus aus Österreich zum fortgeschrittenen oder metastasierenden Gallen­wegskrebs ist erschienen (Frontiers in Oncology; DOI: 10.3389/fonc.2023.1225154). Das Gremium empfiehlt, bei Vorliegen bestimmter genetischer Variationen bei der Zweitlinientherapie auf gezielte Krebstherapeutika zu setzen und diese der unspezifischen Erstlinientherapie mit Chemotherapeutika vorzuziehen.

Die Empfehlungen aus Österreich entsprechen weitgehend der deutschen S3-Leitlinie, die kürzlich erschienen ist – mit einer Ausnahme bei der Zweitlinientherapie.

Die frühzeitige genetische Analyse sei eine wichtige Empfehlung, betonte Hossein Taghizadeh vom Universi­tätsklinikum St. Pölten. „Sollten bestimmte genetische Veränderungen vorliegen, so kann bei Versagen der Erstlinientherapie umgehend eine personalisierte Zweitlinientherapie begonnen werden.“ Dazu zählen unter anderem folgende Gene: IDH1, FGFR2, BRAFV600E, HER2, und KRASG12C.

Für Erstlinientherapien wird unter bestimmten Umständen die Ergänzung der Standard-Chemotherapie mit Immuntherapeutika (Checkpoint-Inhibitoren) empfohlen. Dafür haben die Fachleute insbesondere die Ergeb­nisse der klinischen Phase III der TOPAZ-1 Studie evaluiert. In dieser wurde die Ergänzung der Standard-Erstlinientherapie (Cisplatin plus Gemcitabin) mit dem Immuntherapeutikum Durvalumab beurteilt. Durva­lumab ist ein monoklonaler Antikörper, der als ein Checkpoint-Inhibitor agiert.

Diese Therapieform wird nun für jene Betroffenen empfohlen, deren physischer Zustand und Wohlbefinden gut ist (ECOG 0 bis 1) und bei denen keine Unverträglichkeit von Immuntherapeutika wie dem anti-PD-L1-Antikörper bekannt ist. Weitere Empfehlungen für die Erstlinientherapie umfassen die Verabreichung von Durvalumab als Einzeltherapeutikum, wenn zuvor eine Stabilisierung mit der Kombinationstherapie (Cisplatin plus Gemcitabin plus Durvalumab) erzielt werden konnte.

Deutsche S3-Leitlinie: kein Einsatz von liposomalem Irinotecan anstelle von Irinotecan

In der Erstlinientherapie würden sich keine Unterschiede zur deutschen S3-Leitlinie ergeben, sagte Michael Bitzer, einer der deutschen Leitlinien-Koordinatoren und stellvertretender Direktor Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Tübingen. Auch die deutsche Leitlinie empfiehlt eine frühzeitige genetische Analyse des zu behandelnden Tumors: „In einer palliativen Situation bei Patienten mit ECOG 0 bis 1 sollte eine molekulare Charakterisierung des Tumors und Vorstellung in einem interdiziplinären/Molekularen Tumorboard erfolgen“.

Bei der Zweitlinientherapie gebe es somit weitgehende Übereinstimmung, allerdings mit einer Ausnahme: Der österreichische Konsensus stelle nanoliposomales Irinotecan (Nal-IRI) plus 5-Fluorouracil (5-FU) und Leucovorin (LV) trotz kontroverser Daten als eine alternative Option dar, erklärte Bitzer, Leiter des Molekularen Tumorboards am Tübinger Universitätsklinikum.​

Die deutsche Leitlinie formuliert hierzu hingegen: „Nach Versagen mindestens einer vorherigen Therapielinie kann eine Irinotecan-haltige Therapie angeboten werden“. Zusätzlich wird im Hintergrundtext bezüglich „Nal-IRI“ noch erläutert, „dass ein Einsatz von liposomalem Irinotecan anstelle von Irinotecan derzeit nicht empfohlen werden“ kann.

Grundsätzlich sollte methodisch berücksichtigt werden, dass die S3 Leitlinie eine systematische Literatur­re­cherche mit Evidenzbewertung, transparenter Darstellung von Interessenskonflikten und Finanzierung über die Deutsche Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie darstelle, sagte Bitzer. Demgegen­über wurden die österreichischen Empfehlungen über einen Expertenkonsens, welcher von den Firmen Astrazeneca, Incyte und Servier unterstützt wurde, erarbeitet.

gie

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