Genom verrät Alter und Resistenzentwicklung des Tuberkulose-Erregers

Basel/Boston/Peking/Newark – Mycobacterium tuberculosis begleitet die Menschheit möglicherweise bereits seit ihrem Exodus aus Afrika und wird sich auch durch Medikamente so schnell nicht vertreiben lassen. Denn zu dem genetischen Reservoir des Tuberkulose-Erregers gehören mehr Resistenz-Gene als bisher angenommen.
Vor der Entwicklung der Antibiotika starb ein Fünftel der Bevölkerung in Europa und Nordamerika an der Schwindsucht. Der Tuberkulose-Erreger war so erfolgreich, weil er die Eigenschaften eines hoch-virulenten Erregers einer „Crowd disease“ mit der Möglichkeit zur latenten Infektion vereint, meint ein Forscherteam um Sebastien Gagneux vom Schweizerischen Tropen- und Public Health Institut in Nature Genetics (2013; doi: 10.1038/ng.2744).
Erreger von „Crowd diseases“ töten schnell und umfänglich. Dies ist auch bei der offenen Tuberkulose der Fall, die unbehandelt in mehr als der Hälfte der Fälle tödlich endet. Solche Erreger können nur dann eine anhaltende Epidemie auslösen, wenn viele Menschen an einem Ort zusammenkommen.
Diese Bedingung ist erst seit der neolithischen Revolution und dem Aufkommen der Städte erfüllt. Die Tuberkulose ist jedoch älter, wie Gagneux durch den Vergleich der Genomdaten von 259 Tuberkulose-Erregern aus allen Erdteilen zeigt. Die heute existierenden sieben Familien des Erregers unterscheiden sich zu sehr, um sich auf einen Founder zur Zeit der ersten Städte in der Jungsteinzeit zurückführen zu lassen. Gagneux errechnet ein Alter des Erregers von etwa 70.000 Jahren und vermutet seine Entstehung in Afrika.
Die früher verbreitete These, dass M. tuberculosis sich aus M. bovis, dem Erreger der Rindertuberkulose entwickelt hat, ist schon länger vom Tisch. Experten gehen davon aus, dass nicht die Rinder den Mensch, sondern der Mensch die Rinder nach ihrer Domestizierung infiziert hat.
Gagneux vermutet, dass die Menschen bereits vor der neolithischen Revolution mit Tuberkulose infiziert waren. Dies setzt allerdings voraus, dass der Erreger neben einer akuten Erkrankung auch eine chronische Infektion ermöglicht, die es dem Bakterium erlaubt über Jahrzehnte im Organismus zu überleben und den Tod erst im Alter jenseits der Reproduktionsperiode herbeizuführen. Diese Bedingung ist für die latente Tuberkulose erfüllt, so dass der von Gagneux vorgelegt Stammbaum plausibel erscheint.
Der weltweite Genomvergleich von M. tuberculosis kann auch genutzt werden, um Resistenz-Gene aufzuspüren. Das Team um Megan Murray von der Harvard School of Public Health in Boston benutzte dabei ein neues Verfahren, das die evolutionäre Stammbaumentwicklung berücksichtigt. Es konnte in ihrer Untersuchung nicht nur nur alle bekannten Resistenz-Gene bestätigen.
In Nature Genetics (2013; doi: 10.1038/ng.2747) beschreibt das Team 39 neue Bereiche aus dem M. tuberculose-Genom, an denen sich weitere Resistenz-Mutationen verbergen könnten. Deren genaue Identität und Funktion ist nicht bekannt, da aber für 10 bis 40 Prozent aller klinisch nachgewiesenen Resistenzen keine zugrunde liegenden Mutationen gefunden werden, könnte sich die nähere Analyse der neu entdeckten Genorte lohnen. Murray konnte eines der möglichen Resistenzgene, ponA1, bereits näher untersuchen. Durch gezielte Mutationen von ponA1 konnte die Empfindlichkeit auf Rifampicin deutlich gesenkt werden.
Auf ähnliche Weise hat die Arbeitsgruppe um Lijun Bi vom Institut für Biophysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking 84 Gene und 32 andere Regionen auf dem Erbgut der Tuberkulose-Erregers entdeckt, die zur Entwicklung einer Resistenz führen könnten (Nature Genetics 2013; doi: 10.1038/ng.2735).
Eine weitere Arbeitsgruppe um David Alland von der Rutgers University in Newark/New Jersey hat durch die Sequenzierung von 63 unterschiedlichen M. tuberculosis-Stämmen vier Gene eingegrenzt, die für die Resistenz gegen Ethambutol verantwortlich sind (Nature Genetics 2013; doi: 10.1038/ng.2743).
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