Gentests an Embryonen sollen ab 2013 möglich sein
Berlin – Paare mit schweren Erbkrankheiten können ab dem kommenden Jahr auf Gentests an künstlich erzeugten Embryonen hoffen. Das Bundesgesundheitsministerium hat den Entwurf für eine Rechtsverordnung zur Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) an die anderen Ressorts, die zuständigen Fachverbände und die Länder übermittelt, wie eine Sprecherin heute in Berlin sagte.
Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen schon vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf mögliche genetische Schäden untersucht. Das vor einem Jahr beschlossene PID-Gesetz erlaubt eine solche Untersuchung aber nur für den Fall, dass ein Elternteil oder beide Elternteile die Veranlagung zu einer schwerwiegenden Erbkrankheit haben oder mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Tot- oder Fehlgeburt droht.
Dem Verordnungsentwurf zufolge sollen die zuständigen Ethikkommissionen nur wenig Spielraum haben, einem Elternpaar den Embryonentest zu verwehren. Die noch einzurichtenden Gremien müssten einer PID zustimmen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien, heißt es in dem Text. Die Ethikkommissionen sollen sich dem Verordnungsentwurf zufolge aus vier Sachverständigen aus der Medizin, je einem aus der Fachrichtung Recht und Ethik sowie zwei Vertretern aus dem Bereich der Patienten- und Behindertenorganisationen sowie der Selbsthilfegruppen chronisch Kranker zusammensetzen.
Die Ärzte, die im Fall der Erlaubnis die PID vornehmen, dürfen dem Verordnungsentwurf zufolge an der Entscheidung dazu nicht beteiligt werden. Der Text regelt darüber hinaus, welche Einrichtungen eine PID vornehmen dürfen.
Die entsprechenden Zentren müssten über die notwendigen diagnostischen, medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügen. Außerdem müssten die Einrichtungen unter anderem Erfahrungen mit künstlicher Befruchtung, Embryonentransfer und der Gewinnung von Zellen und deren Aufbewahrung haben.
Die Verordnung sieht keine zahlenmäßige Beschränkung der PID-Zentren vor. Allerdings müssen sie neben den medizintechnischen Voraussetzungen für die Gendiagnostik „insbesondere über Erfahrungen mit In-vitro-Fertilisation, Spermieninjektion, mit Embryonentransfer und mit Techniken zur Gewinnung von Zellen und deren Aufbereitung” verfügen. Die Landesgesundheitsbehörden sollen nun bis zum 17. August Stellung nehmen. Stimmt der Bundesrat im Herbst zu, könnte die Verordnung 2013 in Kraft treten.
Schwere Einwände
Doch gibt es gravierende Einwände: Kritiker befürchten, dass die Vielzahl von Behandlungszentren und Ethikkommissionen zu einem Tohuwabohu unterschiedlicher ethischer Bewertungen führt. Für den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), bestätigt schon die Zahl der Zentren seine Sorge, dass „der Zugang zur PID nicht begrenzt werden soll”. Dies zeige sich auch am Widerspruchsrecht der Eltern gegen die Entscheidung von Ethikkommission, sagte Hüppe. „Das Gesetz sollte die PID beschränken, mit der Verordnung ist sie aber praktisch weitgehend offen zugänglich”. Und dies sei „offenbar kein Zufall”.
Unabhängig von der Rechtsverordnung: Gespannt darf man sein, wie Gesetzgeber und Gerichte mit Widersprüchen zwischen PID-Gesetz und Embryonenschutzgesetz umgehen. So sind etwa nach dem Stand der Wissenschaft mindestens acht Embryonen nötig, damit eine PID erfolgversprechend sein kann. Das Embryonenschutzgesetz erlaubt aber nur die Erzeugung von drei Embryonen.
Bestehen bleiben tiefgreifende ethischen Bedenken gegen das Gesetz: Denn bei der PID werden Embryonen gegebenenfalls zerstört. Gegner wie die katholische und Teile der evangelischen Kirche warnen auch vor der Selektion Behinderter und einer Auswahl menschlichen Lebens nach Qualitätsmerkmalen.
In diesem Zusammenhang stellt der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio die Ethikkommissionen massiv in Frage: Grundsätzlich könne eine Kommission nicht über das Lebensrecht von Embryonen entscheiden, sagt er. „Denn entweder, es ist gegeben oder nicht”.
Das Gesetz zur PID war nach langer und kontroverser Diskussion vor einem Jahr vom Bundestag verabschiedet worden. Eine Mehrheit fand dabei ein fraktionsübergreifender Antrag, der die Zulassung der umstrittenen Methode in Ausnahmefällen vorsah. Der Fraktionszwang war bei der Abstimmung aufgehoben worden, die Abgeordneten entschieden allein nach ihrem Gewissen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: