Gesetzliche Krankenversicherung schließt 2019 mit Defizit ab

Berlin – Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat das vergangenen Jahr mit einem Defizit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro abgeschlossen. Ausgaben von 251,9 Milliarden Euro standen 2019 Einnahmen von 250,4 Milliarden Euro gegenüber, wie das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) heute auf Basis vorläufiger Zahlen mitteilte. Die endgültigen Finanzergebnisse des Jahres 2019 sollen Mitte Juni vorliegen.
Ein Minus gab es bei allen Krankenkassenarten mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse. Das größte Defizit mussten den Daten zufolge die Ersatzkassen (TK, DAK-Gesundheit, Barmer, HKK, KKH) mit 859 Millionen Euro hinnehmen.
Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKen) verbuchten ein Minus von rund 121 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen (BKKen) ein Defizit von 295 Millionen Euro und die Innungskrankenkassen (IKKen) ein Defizit von 231 Millionen Euro. Die knappschaftliche Krankenversicherung beendete das Jahr mit einem Minus von 58 Millionen Euro.
Bei Ersatzkassen und IKKen sei das Defizit „jeweils weitgehend auf eine große Krankenkasse mit hohen Finanzreserven zurückzuführen, die den Zusatzbeitrag für das Jahr 2019 abgesenkt hatte“, teilte das BMG mit. Die landwirtschaftliche Krankenversicherung verbuchte einen Überschuss von 49 Millionen Euro.
Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Jahresende 2019 rund 19,8 Milliarden Euro. Dies entspricht im Schnitt knapp einer Monatsausgabe und damit etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve.
Veränderungsraten bei den Ausgaben
Die Leistungsausgaben stiegen laut BMG insgesamt um 5,6 Prozent. Das Ministerium weist darauf hin, dass vollständige Abrechnungsdaten noch nicht vorliegen. Im Detail sind die Ausgaben für Krankenhausbehandlung den vorläufigen Zahlen zufolge 2019 um 3,9 Prozent angewachsen.
Das ist ein deutlich stärkerer Zuwachs als in den beiden vorangegangenen Jahren. Die Krankenhäuser erhielten damit von der GKV etwa drei Milliarden Euro mehr als in 2018, schreibt das BMG. Neben den Erhöhungen der Landesbasisfallwerte von gut 2,6 Prozent hätten sich Verbesserungen aus dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz ausgewirkt.
Die Arzneimittelausgaben stiegen um 5,6 Prozent. Eine zentrale Rolle nehmen dabei innovative Arzneimittel ein. Die Krankenkassen wurden durch deutliche Zuwächse (+11,2 Prozent) bei Rabattvereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen entlastet. Hohe Zuwachsraten von 17,5 Prozent gab es bei den Ausgaben für Schutzimpfungen.
In der vertragsärztlichen Vergütungen erhöhten sich die Ausgaben um rund 4 Prozent. Deutliche Steigerungsraten hat es den Zahlen nach bei Hochschulambulanzen (+9,5 Prozent) und spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (+15,1 Prozent) gegeben. Überproportional haben sich die Ausgaben für Heilmittel (+15,1 Prozent) entwickelt. In allen Leistungsbereichen (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen) gab es zweistellige Zuwachsraten.
Mehrausgaben bei Heilmitteln
Bei Heilmitteln machen sich vor allem die vom Gesetzgeber schrittweise vorgegebenen Honorarsteigerungen bemerkbar, die zu einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Heilmittelerbringer beitragen. Seit Mitte 2019 gibt es bundeseinheitliche Preise auf Basis der jeweils höchsten im Bundesgebiet zwischen Krankenkassen und Heilmittelerbringern vereinbarten Preise.
Die Ausgabenzuwächse für Krankengeld lagen mit einer „in dieser Höhe unerwarteten Veränderungsrate von 10,1 Prozent“, so das BMG, 2019 erstmals seit zehn Jahren wieder im zweistelligen Bereich. Der Rückgang der Verwaltungskosten um 1,9 Prozent sei weitgehend auf eine im Vergleich zum Vorjahr geringere Bildung von Alterungsrückstellungen sowie auf einen deutlichen Anstieg der von anderen Sozialversicherungsträgern erstatteten Verwaltungskosten zurückzuführen.
2019 lag der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz den Angaben zufolge bei 1,0 Prozent und damit um 0,1 Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2018. Auch nach dem Jahreswechsel 2019/2020 liege er weiterhin stabil bei 1,0 Prozent, während das BMG den zur Deckung der laufenden Ausgaben erforderlichen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz auf 1,1 Prozent festgelegt hatte.
Somit sei für 95 Prozent der GKV-Mitglieder der bislang von ihrer Krankenkasse erhobene Zusatzbeitragssatz unverändert geblieben. Lediglich einige wenige Krankenkassen haben ihren Zusatzbeitrag angehoben oder gesenkt.
Spahn: Richtige Entwicklung, Krankenkassen sorgen sich
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betrachtet die Entwicklung positiv. „Die aktuellen Zahlen zeigen in die richtige Richtung“, erklärte er. Die Beitragszahler profitierten von niedrigeren Zusatzbeiträgen, weil Krankenkassen endlich ihre übermäßig hohen Finanzreserven abbauten. Gleichzeitig kämen auch die notwendigen Leistungsverbesserungen bei den Versicherten an.
Erstmals seit 2015 hätten die Krankenkassen ein Haushaltsjahr mit einem Minus abgeschlossen, sagte Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbandes. Das Defizit sei „besonders alarmierend“, weil die derzeit noch brummende Konjunktur für Rekordeinnahmen gesorgt habe. Steigende Ausgaben für den medizinischen Fortschritt und kostspielige Gesetze hätten dennoch ein Defizit verursacht.
„Allein durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz und das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz kommen auf die Krankenkassen in diesem Jahr rund fünf Milliarden Euro an Mehrausgaben zu“, sagte Pfeiffer. Derzeit müsse man auch davon ausgehen, dass das Coronavirus das deutsche Gesundheitswesen mehr belaste.
Ärzte, Pflegekräfte, Praxispersonal und Klinikmitarbeiter „ziehen alle an einem Strang, um die Versorgung der Menschen auch unter den Bedingungen einer sich entwickelnden Epidemie sicherzustellen“. Die GKV sei eine starke Solidargemeinschaft mit mehr als 73 Millionen Versicherten, die dafür einstünde, dass alles medizinisch Notwendige geleistet werden könnte.
Verantwortlich für das im vergangenen Jahr entstandene Defizit seien „die rasant steigenden Leistungsausgaben“, erklärte Pfeiffer weiter. Habe der Ausgabenanstieg im ersten Halbjahr 2019 bereits bei 4,8 Prozent gelegen, seien es im zweiten Halbjahr 6,4 Prozent gewesen. „Insgesamt betrug der Anstieg der Leistungsausgaben 5,6 Prozent, während die Einnahmen nur um 3,8 Prozent stiegen.“ Wenn die Rücklagen erst einmal aufgebraucht seien, führe kein Weg an höheren Beiträgen vorbei.
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