Gesundheitskarte für Flüchtlinge droht zu scheitern

Gütersloh – Trotz der Appelle von Ärzten und Krankenkassen droht die Einführung der Gesundheitskarte für Asylsuchende zu scheitern. Das berichtet die Bertelsmann-Stiftung heute. Grund für die schleppende Einführung und das mögliche Scheitern sind offenbar Finanzierungsfragen: Zurzeit tragen die Kommunen die Kosten für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in den ersten 15 Monaten beziehungsweise bis zu deren Anerkennung.
Mit dem Asylbeschleunigungsgesetz (Asylpaket I) hat die Bundesregierung Ende 2015 die Möglichkeit eröffnet, für Asylsuchende eine Gesundheitskarte mit eingeschränktem Leistungsanspruch einzuführen. Die Verantwortung für die Umsetzung haben die Bundesländer. Das hat zur Folge, dass die Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge insgesamt allenfalls schleppend vorankommt: Unter den Flächenstaaten haben nur Brandenburg, wo die Karte Anfang April kommen wird, und Schleswig-Holstein eine verbindliche Regelung auf Landesebene getroffen. Hier tragen die Länder die Kosten der Gesundheitsversorgung.
In den anderen Ländern müssen in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts eines Asylsuchenden die Kommunen weiterhin für den Großteil der Gesundheitskosten aufkommen – ob mit oder ohne Gesundheitskarte. Die Kommunen befürchten aber offenbar, dass es „mit Karte“ teurer wird. In Nordrhein-Westfalen haben deshalb bislang nur 20 Kommunen ihre Bereitschaft zur Einführung der Gesundheitskarte erklärt. Im Saarland will die Landesregierung die Gesundheitskarte ermöglichen, aber sämtliche Landkreise weigern sich, sie einzuführen.
Bayern und Sachsen wollen von der Möglichkeit einer Gesundheitskarte für Asylsuchende keinen Gebrauch machen. Auch Mecklenburg-Vorpommern hat Anfang März beschlossen, die Karte vorerst nicht einzuführen. Nur die Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben die Karte schon längere Zeit im Gebrauch.
Diese zögernde Einführung steht im Widerspruch zum Stimmungsbild in der Bevölkerung: Laut einer repräsentativen Befragung von TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung befürworten Anfang März 66 Prozent der Deutschen die Einführung der Karte für alle Flüchtlinge. Die Zustimmung stieg auf 80 Prozent, unter der Maßgabe, es entstünden geringere Kosten.
„Es kann nicht sein, dass das föderale Gerangel um die Kosten auf dem Rücken der Flüchtlinge und der Kommunen ausgetragen wird“, sagte Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung. Die medizinische Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen müsse daher bundeseinheitlich geregelt und finanziert werden.
Auch die Ärzteschaft hat sich immer wieder deutlich für die Karte eingesetzt: „Asylsuchende und Flüchtlinge brauchen nach der Erstuntersuchung eine Gesundheitskarte, um in das Regelsystem eingegliedert zu werden. Der leichte Zugang zur ärztlichen Versorgung verhindert, dass Krankheiten sich verschlimmern und reduziert somit am Ende die Kosten“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery.
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