Politik

Gesundheits­schädliche Stickoxide: Debatte um Umweltplakette nicht beendet

  • Dienstag, 12. Juli 2016
Uploaded: 11.07.2016 16:48:53 by maybaum
/dpa

Berlin – Geht es nach deutschen Großstädten, könnten gezielte Fahrverbote für beson­ders umweltschädliche Diesel-Fahrzeuge bald kommen. Als Voraussetzung für solche Ver­bote sehen etwa Berlin, München, Bremen und Stuttgart die Einführung der blauen Umweltplakette. Durch den Aufkleber könnten Autos mit hohem Ausstoß von gesund­heits­schädlichen Stickoxiden (NOx) aus Städten und Ballungsräumen ausgeschlossen werden. Gerade dort werden Grenzwerte immer wieder deutlich überschritten.

Die Großstädte weisen jedoch auf die bislang fehlende gesetzliche Grundlage für eine blaue Umweltplakette hin. Deswegen rechnet etwa Bremen mit einer Einführung nicht vor dem Jahr 2018. Die Plakette wurde im Frühjahr durch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ins Gespräch gebracht. Danach hagelte es Kritik – vor allem aus der Union und von Automobilverbänden.

Ministerium plant für den Herbst
Das Bundesumweltministerium strebt eine Einigung über die Einführung in wenigen Mo­naten an. „Wir brauchen eine Lösung für Innenstädte mit schlechter Luft“, sagte Umwelt­staatssekretär Jochen Flasbart. Geht es nach seinem SPD-geführten Ministerium, sollen baldmöglich gesetzlichen Grundlagen für die blaue Plakette geschaffen werden. Dann könnten Kom­munen für Gebiete mit besonders hoher Stickoxid-Belastung Fahrverbote für Wagen ohne diese Aufkleber erlassen. Vor allem Dieselmotoren sorgen für gesund­heits­schäd­liche Stickoxide. Flasbarth betonte, man hoffe, „dass wir im Herbst gemeinsam mit den Umwelt- und Verkehrsministern der Länder eine Verabredung zum weiteren Vorgehen treffen können.“

Das von der CSU geführte Bundesverkehrsministerium lehnt hingegen Sperren für be­sonders umweltschädliche Diesel-Fahrzeuge ab. Verkehrsminister Alexan­der Dobrindt wiegelte dies in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe als fal­schen politischen Ansatz ab. Er sagte, es sei nicht wirkungsvoll, Autos mit Verboten zu belegen, die ein oder zwei­mal im Monat in die Stadt führen. „Wo wir ran müssen, sind Fahrzeuge, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, etwa Taxis, Busse, Behörden­fahrzeuge.“ Deren Antriebe müssten auf umweltfreundlichere Varianten umgestellt werden.

Städte warnen vor sozialer Härte
Städte wie München oder Berlin warnten unterdessen vor „sozialer Härte“ bei der Ein­führung des Aufklebers. Es bedürfe Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen. Bei­spielsweise für Anwohner oder Betriebe, hieß es aus den Verwaltungen. Eine Nachrüs­tung ent­sprech­en­der Dieselautos, wie etwa zur Reduzierung von Feinstaub mit einem Partikel­filter, sei nicht möglich, darauf wies München hin.

Immer wieder werden in Städten und Ballungszentren EU-Grenzwerte für Stickoxide deut­lich überschritten. Beim besonders gesundheitsschädlichen Gas Stickstoffdioxid (NO2) stellte das Umweltbundesamt im vergangenen Jahr an rund 60 Prozent aller Messsta­tio­nen an stark befahrenen Straßen Überschreitungen fest.

EU leitete Verfahren ein
Der von der EU festgelegte Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikme­ter im Jahresdurchschnitt wurde 2015 besonders deutlich in Stuttgart überschritten. Am Neckar­tor lag die Konzentration des lungenschädlichen Gases bei durchschnittlich 87 Mikrogramm. An der Landshuter Allee in München waren es 84 Mikrogramm pro Kubik­meter. Auch an einzelnen Messstationen in Köln, Kiel, Heilbronn, Hamburg und Darm­stadt wurden Werte von über 60 Mikrogramm pro Kubikmeter festgestellt.

Weil die Grenzwerte in Deutschland seit Jahren überschritten werden, hatte die EU-Kom­mis­­sion gegen Deutschland im vergangenen Jahr ein Verfahren eröffnet. Immer wieder warnen auch Umweltorganisationen vor gesundheitlichen Risiken durch Stickstoffdioxid.

Konkrete Pläne für Diesel-Fahrverbote gibt es in den größeren Städten Deutschlands aber noch nicht. In Düsseldorf wollen die Behörden abwarten, welche Rahmenbe­dingun­gen für die blaue Plakette gelten sollen. In Dortmund machte eine Sprecherin der Stadt deutlich, dass erhöhte Stickstoffdioxid-Belastungen ausschließlich in Straßennähe nach­weisbar seien. Bereits nach kurzer Distanz lägen die Belastungen unterhalb der Grenz­werte.

In München will die Verwaltung zunächst auf Alternativen setzen, um Stickoxid-Werte zu senken. Etwa mit dem Ausbau von Ladestationen für Elektroautos oder der Förderung von Elektroautos und -fahrrädern für Handwerker, Vereine oder Lieferdienste. In Berlin verweist man auf die Anschaffung von neuen Linienbussen. Dadurch seien in bestim­mten Straßen der Hauptstadt Stickoxid-Emissionen um mehr als zehn Prozent zurück­ge­gangen.

dpa

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