Volkswagen-Betrug führte zu 59 vorzeitigen Todesfällen

Cambridge – Die zusätzliche Schadstoffbelastung, der die Bevölkerung der USA in den letzten Jahren infolge der Manipulationen von Dieselfahrzeugen des Volkswagenkonzerns ausgesetzt war, hat zu 59 vorzeitigen Todesfälle geführt und soziale Kosten in Höhe von 450 Millionen US-Dollar verursacht. Das ergeben Berechnungen des Massachusetts Institutes of Technology in Environmental Research Letters (2015; 10: 114005).
Im September hatte Volkswagen zugegeben, Dieselfahrzeuge der 2-Liter-Klasse mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Ergebnisse von Abgastests manipuliert. Der Verdacht, dass die Fahrzeuge im regelmäßigen Betrieb mehr Stickoxide ausstoßen, als die Testzertifikate angeben, war im letzten Jahr in einer Studie der Universität von West Virginia geweckt worden. Dort hatten die Modelle Jetta aus dem Jahr 2012 und ein 2013-Passat 10- bis 40-fach mehr Stickoxide emittiert als erlaubt. Nachdem ein freiwilliger Rückruf im Dezember 2014 das Problem nicht behob und die kalifornischen Behörden sich weigerten, die 2016er-Modellreihe zuzulassen, gestand VW schließlich die Installation von „defeat devices“ ein.
Die Folgen sind bekannt und allein aufgrund der Gesetzesübertretungen drohen dem Konzern hohe Strafen, von bis zu 20 Milliarden US-Dollar (37.500 für jedes der 482.000 zwischen 2008 und 2015 verkauften Fahrzeuge mit zu hohem Ausstoß plus 3750 für den Einbau der „defeat devices“). Die Diskussion dreht sich aber auch um die Auswirkungen, die der vermehrte Stickstoffausstoß auf die Gesundheit der Bevölkerung gehabt haben könnte. In der US-Presse wurden Zahlen von 16 bis 106 zusätzlichen Todesfällen genannt.
Steven Barrett vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und Mitarbeiter legen jetzt die ersten wissenschaftlich fundierten Berechnungen vor. Die Forscher haben die zusätzlichen Stickoxid-Emissionen mit der Größe der Fahrzeugflotte und deren vermutlich gefahrenen Kilometern verrechnet. Dabei wurden die unterschiedlichen Emissionen bei Fahrten innerhalb von Ortschaften und auf den Autobahnen (interstates) berücksichtigt. Barrett kommt auf eine zusätzliche Gesamtemission von 36,7 Millionen Kilogramm Stickoxide. Das entspräche in etwa ein Prozent der Gesamtemission aller leichten Nutzfahrzeuge.
Die mit dem Stickoxid-Ausstoß verbundene Freisetzung von Feinstaub und das durch das Gas erzeugte Ozon sind im wesentlichen für die gesundheitlichen Folgen verantwortlich. In der Summe haben die Emissionen nach den Berechnungen der Forscher den vorzeitigen Tod von 59 Menschen verursacht, wobei das 95-Prozent-Konfidenzintervall aufgrund der vielen Unwägbarkeiten solcher Berechnungen mit 10 bis 150 recht weit ist. Von den 59 vorzeitigen Todesfällen wurden laut Barrett 51 durch die Feinstaubemssionen und 8 durch die Ozonbelastung verursacht.
Falls Volkswagen bis Ende 2016 alle Fahrzeuge zurückziehen würde, könnten 130 weitere vorzeitige Todesfälle (18 bis 350) vermieden werden. Falls keine Konsequenzen gezogen würden, käme es in den nächsten Jahren zu 140 weiteren Todesfällen (23-370). Diese Zahlen müssten mit der Gesamtzahl der vorzeitigen Todesfälle in Beziehung gesetzt werden, die durch die Verbrennung fossiler Energieträger verursacht werden. Nach Schätzungen der Environmental Protection Agency (EPA) starben in den USA im Jahr 2010 etwa 160.000 Menschen an den Folgen von Feinstaub-Emissionen und etwa 4.300 Menschen an den Folgen von Ozon-Expositionen.
Neben den vorzeitigen Todesfällen haben die strafbaren Emissionen der VW-Dieselfahrzeuge möglicherweise auch 31 Fälle einer chronischen Bronchitis (-38 bis 170) und 34 Krankenhauseinweisungen (-1,98-100) verursacht. Wie die 95-Prozent-Konfidenzintervalle anzeigen, sind diese Werte allerdings nicht signifikant. Außerdem war die Bevölkerung an 120.000 Tagen in ihrer normalen Aktivität eingeschränkt oder krankgeschrieben. Es kam zu 210.000 Tagen mit Symptomen in den unteren Atemwegen und zu 33.000 zusätzlichen Anwendungen von Bronchodilatatoren.
Volkswagen hat den Berechnungen zufolge bereits jetzt 450 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Gesundheitskosten und sonstigen Sozialkosten verursacht. Eine Rückrufaktionen könnte jedoch zusätzliche Kosten von 840 Millionen US-Dollar vermeiden.
Bezogen auf alle Risikofaktoren des Lebens, sind die durch Volkswagen erzeugten Emissionen nur ein kleiner weiterer Risikofaktor, meint Barrett. Neben den 59 vorzeitigen Todesfällen durch die Schadstoffemissionen hätten die betroffenen Fahrzeuge von Volkswagen auf den 40,5 Milliarden gefahrenen Kilometer vermutlich 280 Todesfälle durch Verkehrsunfälle verursacht.
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