Gesundheitsschutz: Ärzte rufen Politik zu CO2-Reduktion auf

Berlin – Die Initiative Health for Future hat die Bundespolitik dazu aufgerufen, mehr Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu ergreifen, um auf diese Weise die Gesundheit der Menschen in Deutschland zu schützen.
„Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall, bei dem jedes Jahr und jeder Monat zählt“, sagte Lisa Pörtner von Health for Future gestern bei einer Podiumsdiskussion mit Gesundheits- und Umweltpolitikern des Bundestags. „Die nächste Legislaturperiode ist deshalb absolut entscheidend darüber, wie sich unser Leben weiterentwickelt. Wir fordern, dass die Politik die Situation als Notfall benennt und entsprechend handelt.“
Pörtner stellte die Forderungen von Health for Future dar, die sie anlässlich der Bundestagswahl gemeinsam mit anderen Ärztinnen und Ärzten in einem Positionspapier zusammengestellt hat: „Wir brauchen einen umfassenden und schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir brauchen einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2030.“
Dadurch könnten auch tausende von Todesfällen durch Luftverschmutzung verhindert werden. „Wir brauchen eine klimafreundliche Verkehrswende, eine deutliche Reduzierung des Autoverkehrs und einen Ausbau von Fuß-, Rad- und Bahnverkehr“, so die Bremer Internistin weiter. Die Menschen zu mehr Bewegung zu animieren, sei ein wichtiger Aspekt gesundheitlicher Prävention.
Grüne: Politik muss jetzt Rahmenbedingungen setzen
Viele Erkrankungen würden in den Industrienationen zudem durch eine ungesunde Ernährung verursacht. „Wir fordern die Politik deshalb auf, Rahmenbedingungen für eine vollwertige und pflanzenbasierte Ernährung zu setzen, die für alle zugänglich ist und zum Standard wird“, sagte Pörtner. Allgemein müssten die politischen Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass klimafreundliches Handeln günstig und klimaschädliches Handeln teuer und unbequem werde.
Schließlich betonte sie, dass auch die Akteure des Gesundheitswesens in der Pflicht seien, ihren Treibhausgasausstoß zu reduzieren. „Wir fordern eine Klimaneutralität des Gesundheitswesens bis spätestens 2035“, betonte Pörtner. Um dies zu erreichen, müsse sich die Finanzierung des stationären Sektors von der reinen Profitorientierung abwenden.
Auch Bettina Hoffmann (Grüne), Mitglied im Umweltausschuss, sprach sich dafür aus, dass die Politik jetzt die Rahmenbedingungen für weniger Treibhausgasausstoß setzt – auch für die Menschen, für die Klimaschutz nicht so wichtig sei. Sie forderte dafür eine Neuausrichtung der Politik in den Bereichen Energie, Mobilität, Bau und Ernährung. „Wir können nicht warten, bis die letzten überzeugt sind, mitzumachen“, sagte Hoffmann.
„Es geht in den nächsten vier Jahren darum, dass die Politik den Mut hat, richtungweisende Entscheidungen zu treffen.“ Dabei müsse die künftige Regierung die Subvention von klimafeindlichen Projekten beenden und stattdessen in klimafreundliche Projekte investieren.
CDU und FDP wollen Bürgern keine Vorschriften machen
Georg Kippels (CDU), Mitglied im Gesundheitsausschuss, sprach sich hingegen dagegen aus, den Bürgern Vorschriften für ein klimafreundlicheres Leben zu machen und verwies dabei auf eine aktuelle Umfrage, der zufolge 55 Prozent der Bürger gegen Mehrbelastungen durch den Klimaschutz seien.
„Unsere Aufgabe sollte es sein, in möglichst kurzer Zeit die Bevölkerung über die Wege zu mehr Klimaverträglichkeit zu informieren“, sagte Kippels. Dabei müsse man jedoch die „individuelle Zumutbarkeitsgrenze“ der Menschen im Auge behalten.
Auch Andrew Ullmann (FDP), Mitglied im Gesundheitsausschuss, meinte, es sei nicht die Aufgabe der Politik, die Bürger zu erziehen. „Wir können den Menschen nicht vorschreiben, was und wie sie essen sollen“, sagte Ullmann. „Wir können ihnen nur die Kompetenz dazu vermitteln, was gut für sie ist und was nicht.“
Vergleich mit der Eindämmung des Zigarettenkonsums
Pörtner von Health for Future meinte, wer den Menschen kein klimafreundlicheres Verhalten vorschreiben wolle, habe die Dringlichkeit des Problems nicht verstanden. „Wir brauchen eine lenkende Politik, die zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Fleisch anhebt und die Steuern auf eine gesunde Ernährung absenkt“, forderte sie.
Dabei erinnerte sie an die Maßnahmen zur Eindämmung des Zigarettenkonsums, bei der die Politik das Rauchen für die Bürger auch teurer und unbequemer gemacht habe, um deren Gesundheit zu schützen. Es sei nicht richtig, die Verantwortung für ein klimafreundlicheres Leben auf den einzelnen abzuwälzen.
Zudem gehe es nicht nur darum, die heutige Belastung der Bürger durch Klimaschutzmaßnahmen zu betrachten, sondern auch, in den Blick zu nehmen, wie unzumutbar belastend die Lebensumstände für die Bürger in der Zukunft sein würden.
Linke: Gefahren für die Gesundheit sind noch nicht verstanden worden
Kathrin Vogler (Linke), Mitglied im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung, meinte, dass die Gefahren des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen in vielen politischen Gremien, sowohl auf Bundes-, Landes- und auf kommunaler Ebene, bis heute viel zu wenig verstanden worden seien.
„Da brauchen wir eine deutliche Stimme aus der Zivilgesellschaft, die Druck macht“, meinte Vogler, die früher gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion war.
Sie erklärte, dass der Parlamentarische Beirat für eine nachhaltige Entwicklung den Auftrag habe, jedes Gesetzesvorhaben auf seine Nachhaltigkeit zu prüfen. Doch bislang führe er nur ein Schattendasein. „Es ist unser Anliegen, den Beirat in der kommenden Legislaturperiode aufzuwerten“, sagte Vogler.
SPD fordert politische Allianz für das Klima
Heike Baehrens (SPD), Mitglied im Gesundheitsausschuss, betonte, dass die Bundesregierung bereits einiges zur Reduktion von Treibhausgasen auf den Weg gebracht habe. So sei im Klimaschutzgesetz genau festgeschrieben, um wieviel Tonnen der CO2-Ausstoß in den verschiedenen Ressorts reduziert werden müsse.
Bis 2030 sei auf diese Weise eine Reduktion um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vorgesehen und bis 2040 eine komplette Klimaneutralität. Ressorts, die diese Vorgaben nicht einhalten, müssten Strafen bezahlen. „Man kann sagen: Das reicht nicht aus“, sagte Baehrens. „Aber man kann nicht sagen, die Politik habe bislang gar nichts unternommen.“
Aus ihrer Sicht ist die Gesundheit ein guter Anknüpfungspunkt, um das Problem des Klimawandels für die Menschen greifbar zu machen. „Denn jeder spürt, was große Hitze für seine Gesundheit bedeutet“, so Baehrens. „In diesem Jahr haben wir auch alle gespürt, was Starkregen für die Gesundheit bedeuten kann.“
Sie wies jedoch darauf hin, dass es für die politischen Parteien schwer sei, an einem Strang zu ziehen, da sie sich stets gegeneinander profilieren müssten. Deshalb forderte sie die Gründung einer großen Allianz für das Klima.
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