Gesundheitswesen auf künftige Infektionskrankheiten unzureichend vorbereitet

Berlin – Das Gesundheitswesen ist auf künftige mögliche Ausbrüche von Infektionskrankheiten nur unzureichend vorbereitet. Davor warnen die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) sowie die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) in einem gemeinsamen Positionspapier.
„In Zukunft wird aufgrund des Klimawandels und veränderter Ökosysteme sowie im Zuge der zunehmenden Globalisierung und Migrationsbewegungen häufiger mit infektiologischen Problemsituationen in Deutschland zu rechnen sein“, heißt es darin.
Mit steigendem klinischem Einsatz von Immunsuppressiva- und Biologika-Therapien sowie Prothesen und anderen Fremdkörpern würden infektiologische Krankheitsbilder weiter zunehmen. Ein ernsthaftes Problem sei zudem die Ausbreitung von antibiotikaresistenten Erregern weltweit und in Deutschland – „mit teils dramatischen Folgen für das Individuum“, so die Autorengruppe.
Die Fachverbände fordern eine strukturelle Stärkung der ambulanten Versorgung, um die stationäre Infektiologie zu entlasten und beide Bereiche besser zu vernetzen.
„Spätestens seit der COVID-19-Pandemie ist der Öffentlichkeit bewusst, wie schnell Infektionskrankheiten zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden können“, sagte dagnä-Vorstandsmitglied Heiko Karcher. Doch in der Gesundheitspolitik fehlten strukturelle Ansätze zur Verbesserung der infektiologischen Versorgung, damit diese den Herausforderungen auch in Zukunft gerecht werden könnten.
So würden die klinische Infektiologie und die ambulante Versorgung oft als völlig unabhängig voneinander wahrgenommen. „Dabei ist es essenziell, dass sich die beiden Bereiche viel stärker verzahnen und aufeinander abgestimmt werden“, sagte Karcher.
Dies bestätigt die DGI: „Angesichts der Zunahme besonders schwerer Fälle geraten die infektiologischen Stationen und Abteilungen in unseren Kliniken oft an die Grenzen ihrer Kapazitäten“, sagte die DGI-Vorsitzende Maria Vehreschild. Eine gezielte ambulante Prävention und Früherkennung könne sehr teure stationäre Behandlungen verkürzen und vermeiden, betonte sie.
Aber dazu fehle eine „institutionalisierte Vernetzung“. So gebe es für angehende Fachärzte und Fachärztinnen für Innere Medizin und Infektiologie derzeit etwa keine verpflichtende ambulante infektiologische Weiterbildung, ebenso wenig existiere eine ambulante Weiterbildungsförderung, kritisierte die DGI-Präsidentin.
DGI und dagnä schlagen in ihrem Papier eine verpflichtende sektorenübergreifende Weiterbildungsrotation vor, die ambulante und stationären Bereiche umfassen sollte. Zudem müssten Abrechnungsmöglichkeiten für spezifische infektiologische Leistungen geschaffen werden, um auch niedergelassenen Fachärzten der Infektiologie eine wirtschaftliche Perspektive zu ermöglichen.
Die Fachverbände fordern außerdem ein Programm für den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika im ambulanten Bereich – etwa vergleichbar der stationären Antibiotic-Stewardship-Initiative. Nötig seien außerdem lokale infektiologische Expertengremien, um zukünftigen Ausbruchsgeschehen koordinierter und schneller entgegenwirken zu können, so die Forderung.
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