GKV-Finanzen: Auch Bundesamt für Soziale Sicherung fordert zügiges Handeln

Berlin – Mit deutlichen Worten hat sich das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) nun in die Debatte um die Finanzlücken in den Sozialversicherungssystemen eingeschaltet: Die steigenden Anforderungen sowie die demografische Entwicklung stelle die Systeme „vor immense Herausforderungen“ und das erfordere „eine zukunftsorientierte Strategie und konsequentes Handeln“, sagte BAS-Präsident Frank Plate in einer Mitteilung.
„Hier sind die politisch Verantwortlichen dringend aufgerufen, zeitnah nachhaltige Lösungen sowohl für die Kranken- als auch für die Pflegeversicherung zu entwickeln“, so Plate weiter. Es drohe eine Gefährdung des „Vertrauens in unser Sozialversicherungssystem“.
Einen ähnlichen Appell hatte auch der Bundesrechnungshof (BRH) in einem Bericht vergangene Woche veröffentlicht. Aus Sicht des Bundesrechnungshofes seien „ausgabenseitig Maßnahmen zu ergreifen“, die kurzfristig die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) „stabilisieren und alle relevanten Leistungsbereiche umfassen, insbesondere solche, in denen aktuell deutliche Kostensteigerungen zu verzeichnen sind“, hieß es dort.
Anders als das BAS formulierte der BRH auch Lösungsvorschläge: So müssten „ausgabendämpfende Regelungen“, die gestrichen worden seien, wieder eingeführt werden. Auch die Entbudgetierung von Teilen der vertragsärztlichen Versorgung müsste „kritisch hinterfragt“ werden. Darüber hinaus werden die Finanzierung der Krankenhausreform sowie der geplanten Soforttransformationskosten vom BRH kritisch bewertet.
Das BAS legte heute ebenso seinen Jahresbericht vor, in dem unter anderem die Finanzsituation der GKV sowie der Pflegeversicherung (SPV) ausführlich dargestellt werden.
Der Bericht zeigt deutlich die Probleme der GKV auf: So betrug Ende 2024 das „Finanzvermögen, bestehend aus Betriebsmitteln und Rücklagen, nur noch rund 106 Millionen Euro, was etwa 0,6 Prozent einer durchschnittlichen Monatsausgabe entspricht und damit deutlich weniger ist als die Krankenkassen durchschnittlich an einem Tag ausgeben“, heißt es in dem Bericht.
Ursache dafür sei laut BAS eine „ungünstige Entwicklung“ sowie „nicht vorhergesehener starker Anstieg der Leistungsausgaben insbesondere für Krankenhausbehandlungen und Arzneimittel“. Daher erhöhten 22 Krankenkassen im laufenden Jahr 2024 mindestens einmal ihre Beiträge, fünf Kassen gar zwei Mal.
Trotzdem, so listet es der Bericht auf, verfügten am Jahresende 2024 nur 12 von 58 bundesunmittelbaren Krankenkassen über die gesetzlich vorgegebene Mindestrücklage von 20 Prozent einer Monatsausgabe. Das BAS hat die Aufsicht über 58 Kranken- wie Pflegekassen, die bundesweit geöffnet sind. Die anderen 37 Krankenkassen stehen unter Aufsicht der jeweiligen zuständigen Länder. Diese 58 Krankenkassen haben insgesamt 45,3 Millionen Versicherte.
Da das Vermögen der 58 Krankenkassen im Jahr 2024 so deutlich geschrumpft ist, mussten viele Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag auch deshalb über den Durchschnitt erheben, um die Rücklagen wieder aufzubauen. So haben 49 Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag um durchschnittlich 2,99 Prozent angehoben, einige deutlich darüber.
„Wenn sich die Planungen realisieren würden, würden die bundesunmittelbaren Krankenkassen am Ende des Jahres 2025 insgesamt wieder über die Mindestrücklage verfügen“, so das BAS. Allerdings sind im laufenden Jahr weitere Steigerungen der Ausgaben absehbar, einzelne Kassen haben auch im laufenden Jahr die Beiträge erhöht.
Der BAS-Bericht weist weitere interessante Details auf: So haben offenbar einige Krankenkassen bei der Information über steigende Zusatzbeiträge bei Jahreswechsel 2024/2025 nicht den „gesetzlichen Anforderungen“ genügt. Zudem „relativieren die Krankenkassen die Anhebung des Zusatzbeitrages mit werblichen Aussagen zu den Leistungen ihrer Krankenkasse oder verstecken die Beitragssatzanhebung im Kleingedruckten“, so das BAS.
In der Pflegeversicherung konnte dem BAS zufolge nicht ausgeschlossen werden, dass eine „finanzielle Schieflage zu Beginn des Jahres 2025“ bereits eintreten würde, daher wurde der Beitragssatz zum Jahresbeginn um 0,2 Prozentpunkte angehoben“.
Die angespannte Lage beschreibt das BAS deutlich: „Der Mittelbestand des Ausgleichsfonds sank von rund 1,647 Milliarden Euro (Ende 2023) auf nur noch 1,029 Milliarden Euro Ende 2024 – ohne die Rückzahlungsverpflichtung für ein Bundesdarlehen in Höhe von 500 Millionen Euro, das bis Ende 2028 zurückgezahlt werden muss.“
Nur durch höhere Mittel für einen Ausgleichsfonds sowie durch die Absenkung der Ausgabendeckungsquote habe sichergestellt werden können, dass die Pflegekassen ihren gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen nachkommen könnten, berichtet das BAS.
Insgesamt seien die Pflegekassen „praktisch ohne Rücklagen, deren Großteil bereits in den Jahren 2020 bis 2023 zur Bewältigung pandemiebedingter Ausgaben in signifikantem Umfang herangezogen war“, so das BAS weiter.
Vertreter von Kranken- und Pflegekassen fordern seit Monaten immer wieder, dass der Bund diese rund sechs Milliarden Euro an die Pflegekassen zurückzahlen müsse. Bislang ohne Erfolg – in den aktuellen Haushaltsplanungen ist dies nicht aufgeführt.
Der Fraktionsvorsitzende der Union und frühere Bundesgesundheitsmister, Jens Spahn (CDU), forderte in einem Interview mit dem Focus nun, den Bundeszuschuss „rasch um zwei Milliarden Euro“ zu erhöhen. „Nur so kann der Beitrag von bis zu 4,2 Prozent stabil gehalten werden.“
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