Greenpeace macht Kohlekraftwerke für viele Todesfälle verantwortlich

Berlin – Deutsche Kohlekraftwerke sind laut einer Studie im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace statistisch für mehr als 3.000 vorzeitige gesundheitsbedingte Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Schuld seien Feinstaubpartikel und giftige Abgase aus deren Schornsteinen, teilte Greenpeace gestern in Berlin unter Berufung auf eine Untersuchung von Experten der Universität Stuttgart mit. Kraftwerkbetreiber widersprachen heftig.
Der Schadstoffausstoß deutscher Kohlekraftwerke verursache unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die rechnerisch zum Verlust von 33.000 Lebensjahren führten, erklärte Greenpeace. Das seien statistisch etwa 3.100 vorzeitige Todesfälle pro Jahr. Betroffen seien auch die Nachbarländer.
Als besonders gravierend bezeichnete die Organisation die Auswirkungen von großen Braunkohlekraftwerken, wie sie unter anderem in der brandenburgischen Lausitz bei Jänschwalde und in Niederaußem in Nordrhein-Westfalen stehen. Neun der zehn Kraftwerke mit den höchsten Emissionen verbrennen der Studie zufolge Braunkohle.
Kraftwerksbetreiber und ihre Organisationen bezeichneten die Untersuchung als irreführend. Die Luftqualität im Umfeld der eigenen Kraftwerke werde in der Gesamtschau „praktisch nicht oder nur unwesentlich“ durch deren Emissionen beeinflusst, teilte Vattenfall in Cottbus mit. Das zeigten Messungen der Behörden. Der Konzern betreibt unter anderem das Kraftwerk Jänschwalde.
Der von Kraftwerksbetreibern und anderen Unternehmen der Branche getragene Verband VGB PowerTech warf Greenpeace vor, wichtige Fakten auszublenden. Nach Ansicht von Experten bestimmten nicht die Emissionen von Anlagen an sich das gesundheitliche Risikopotenzial, sondern die Nähe der Quelle zu den Menschen und die Art der Feinstaubpartikel. Daher seien vor allem Abgase aus dem Verkehr und den Heizungen von Wohnhäusern zu beachten, erklärte der VGB in Essen.
Emissionsdaten von 67 Kohlekraftwerken ausgwertet
Für die Studie zogen die Forscher der Stuttgarter Uni Emissionsdaten der 67 leistungsfähigsten deutschen Kohlekraftwerke aus dem sogenannten Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister für 2010 heran. Tausende Betriebe müssen diesem ihren Schadstoffausstoß melden. Dann berechneten die Experten gestützt auf Gesundheitsstudien, welche Gesundheitsrisiken durch die Ausbreitung von Feinstaub und Abgase in bestimmten Regionen abhängig von der Konzentration zu erwarten sind. Daraus ergaben sich die genannten rechnerischen Verluste an menschlicher Lebenszeit.
Allein das 3.000-Megawatt-Kraftwerk Jänschwalde mit seinen sechs Blöcken, das Strom für 4,4 Millionen Menschen liefert, war der Studie zufolge für 373 Todesfälle verantwortlich. Dem RWE-Kraftwerk Niederaußem mit seinen rund 2.800 Megawatt elektrischer Leistung und neun Blöcken wurden 269 Tote zugeschrieben.
Greenpeace forderte die deutsche Politik – vor allem die zwei SPD-geführten Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg – zum Ausstieg aus der Kohlestromproduktion bis 2040 auf. Die hinsichtlich ihrer Emissionen besonders schädliche Braunkohleverbrennung müsse bereits bis 2030 völlig beendet werden.
„Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sind die vehementesten Befürworter der Kohleverstromung“, erklärte Greenpeace-Experte Gerald Neubauer. In beiden Bundesländern gibt es große Braunkohlevorkommen, die im Tagebau abgebaut werden und dort einen großen Teil der Energieversorgung sichern.
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