Politik

Große regionale Unterschiede bei Mandel-Operationen bei Kindern

  • Mittwoch, 2. Dezember 2015
Uploaded: 02.12.2015 18:44:11 by mis
dpa

Berlin – Die Zahl der Mandel- und Blinddarm-Operationen bei Kindern und Jugendlichen ist in den vergangenen Jahren zwar zurückgegangen. Doch nach wie vor bestehen erhebliche regionale Unterschiede bei der Zahl der Eingriffe. So gibt es etwa in der Region Magdeburg viermal mehr Mandel-Operationen bei Kindern und Jugendlichen als in der Region Ingolstadt. Zu diesem Ergebnis kommt der Versorgungsreport 2015 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Die regionalen Unterschiede nähren Zweifel, ob tatsächlich alle Operationen nötig sind, zumal sie ja Kinder und Jugendliche in einem erheblichen Maße körperlich belasten. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) warnte vor unnötigen Eingriffen. „Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass nur Operationen durchgeführt werden, die medizinisch notwendig sind - und das gilt unabhängig vom Wohnort“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Gröhe erinnerte daran, dass Patienten das Recht auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung haben.

WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber erläuterte, möglicherweise hätte die eine oder andere Mandelentzündung auch mit einer konservativen Methode  geheilt werden können. Die Unterschiede könnten nach seinen Worten unter anderem Hinweise auf regionale Über- oder Unterversorgung sein sowie auf einen fehlenden gemeinsamen Maßstab für Eingriffe. Sie zeigten jedenfalls die Notwendigkeit bundesweit einheitlicher Richtlinien. Diese gebe es seit Herbst für Mandel-Operationen. Für Blinddarm-Behandlungen fehlten sie noch.

„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“
Der designierte AOK-Vorstandsvorsitzende Martin Litsch sagte, die Gesundheits­versorgung von Kindern und Jugendlichen dürfe nicht von der Postleitzahl abhängen. Er mahnte zugleich zur Zurückhaltung bei der Vergabe von Arzneimitteln an Kinder. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, sagte er. Sie bräuchten ihre eigenen Medikamente. Litsch warnte auch vor ungesunder Ernährung bereits im Kindesalter. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Zahl übergewichtiger Kinder verdoppelt. Sechs Prozent der Kinder seien sogar krankhaft übergewichtig. Eine typische Folge davon könne ein Diabetes sein.

Andrerseits wüssten zwei Drittel der Deutschen nicht, wie viel Zucker sie am Tag zu sich nehmen. Litsch appellierte vor allem an die Nahrungsmittelindustrie, bei der Verwen­dung von Zucker in Lebensmitteln mit besserer Kennzeichnung mehr Transparenz an den Tag zu legen. Denn gerade der versteckte Zucker in Ketchup, Bio-Limonade oder Joghurt sei zum Problem geworden.

Krankenhausgesellschaft fordert grundlegende Versorgungsforschung
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, kritisierte den Report. Regionale Unterschiede bei der Anzahl von Mandel- oder Blinddarmoperationen hätten vielfältige Gründe und seien kein Beweis für Über- oder Unterversorgung in Deutschland. Die regionale Unterschiede könnten sowohl historisch gewachsen sein, als auch medizinische Gründe haben. Zudem gibt es unterschiedliche medizinische Schulen, die insbesondere bei Eingriffen, die auch bei der Indikationsstellung Variationen zu lassen, berücksichtigt werden müssen. Er forderte eine bessere Versorgungsforschung, die auch die Ursachen der unterschiedlichen Operationshäufigkeit analysiert.

Nach dem Versorgungsreport ging die Zahl der Mandeloperationen bei Kindern und jungen Erwachsenen bis 24 Jahren von 2005 bis 2014 um ein Fünftel (19,3 Prozent) auf rund 108.000 Eingriffe zurück. 2012 habe sich eine Rate von 37 operierten Patienten je 10.000 Einwohnern bis 24 Jahre ergeben. In der Region Ingolstadt belaufe sie sich auf rund 17 je 10 000 Einwohner, in der Region Magdeburg auf rund 66, erläuterte das WIdO.

Die Zahl der Blinddarmentfernungen bei Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren sank zwischen 2005 und 2014 um gut ein Viertel (25,6 Prozent). Für 2012 ergebe sich eine Operationsrate von 27,1 je 10 000 Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Dabei belaufe sich die Rate im Osten Schleswig-Holsteins auf 13 und in Ingolstadt auf 52, teilte das Institut weiter mit.

dpa

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