Vermischtes

Gründerin von Bluttestfirma Theranos des Betrugs schuldig gesprochen

  • Dienstag, 4. Januar 2022
Elizabeth Holmes verlässt nach dem Urteil das Gericht in San José, Kalifornien. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Nic Coury
Elizabeth Holmes verlässt nach dem Urteil das Gericht in San José, Kalifornien. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Nic Coury

San Jose – Einst versprach Elizabeth Holmes eine Revolution bei Bluttests, jetzt ist sie des Betrugs an ihren Geldgebern schuldig gesprochen worden. Geschworene in Kalifornien konnten sich gestern zu­­gleich nur in vier von elf Anklagepunkten auf einen Schuldspruch einigen.

Holmes hatte das letztlich gescheiterte Bluttest-Start-up Theranos gegründet und nahezu eine Milliarde Dollar von Investoren bekommen. Sie wies den Betrugsvorwurf stets zurück. Die 37-Jährige kann gegen das Urteil in Berufung gehen.

Über das Strafmaß wird Richter Edward Davila zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Theoretisch drohen Holmes bis zu 20 Jahre Gefängnis pro Anklagepunkt – allerdings gingen Prozessbeobachter in den USA davon aus, dass die Strafe deutlich milder ausfallen dürfte.

Der Fall Theranos bot alles, was einen Wirtschaftskrimi ausmacht: den spektakulären Fall einer Vorzeige­unternehmerin, mutige Whistleblower, einen Journalisten, der sich von teuren Anwälten nicht einschüch­tern ließ. Einige in den USA sahen in dem Prozess auch die Hypekultur im Silicon Valley am Pranger.

Das große Versprechen von Theranos war, Bluttests für immer zu verändern: Nur wenige Tropfen aus dem Finger sollten reichen, um auch umfangreiche Analysen durchzuführen. Holmes, die Theranos als 19-jäh­rige Studienabbrecherin der Elite-Uni Stanford gründete, wurde als Visionärin gefeiert. Medien ver­gli­chen sie mit Apple-Gründer Steve Jobs – was von ihrer Vorliebe für schwarze Rollkragenpullover noch unterstützt wurde.

Die Gesamtbewertung von Theranos erreichte in den Finanzierungsrunden bis zu neun Milliarden Dollar. Auch das Vermögen von Holmes betrug damit zumindest auf dem Papier mehrere Milliarden Dollar.

Unter anderem die Drogeriekette Walgreens stieg ein und machte in Dutzenden Läden Platz für Thera­nos-Teststationen. Wie sich jedoch herausstellte, funktionierte die Technologie von Theranos nie verläss­lich genug. So wurden Tests nicht mit eigenen Maschinen der Firma, sondern mit Labortechnik anderer Hersteller durchgeführt, die von Theranos-Technikern auf eigene Faust umgeändert wurde. Investoren und der Öffentlichkeit wurde das verschwiegen.

Ein zentrales Problem dieser Methode war, dass die Maschinen der Konkurrenz auf größere Mengen Blut aus den Venen der Patienten ausgelegt waren. Theranos musste deswegen die kleinen Fingerproben strecken, was aber die Genauigkeit einiger Tests beeinträchtigte.

Ein weiterer Faktor war laut Experten, dass der Druck auf die Fingerkuppen bei der Blutabnahme die Be­schaffenheit der Proben verändert – was ebenfalls zu falschen Analysewerten führen kann. Die Ergeb­nis­se dienen Ärzten aber als Anhaltspunkt für mögliche Erkrankungen und Behandlungen. Theranos musste schließlich auf breiter Front Testergebnisse annullieren.

Einige Geldgeber trugen auch den Eindruck davon, dass Theranos-Technologie für den Einsatz durch das US-Militär in Kriegsschauplätzen im Rennen sei. Sondierungen dazu liefen jedoch in Wirklichkeit schnell in eine Sackgasse.

Die Probleme wurden 2015 mit einer Serie von Enthüllungsberichten im Wall Street Journal bekannt, die Theranos zunächst mit Hilfe von Anwälten zu unterdrücken versuchte. Holmes stritt alles ab, aber die Ar­ti­kel riefen US-Regulierungsbehörden auf den Plan, die unter anderem die Labore der Firma unter die Lupe nahmen. Theranos musste schließen – und die Geldgeber gingen leer aus. 2018 folgte die An­klage, der Prozess begann aber erst im Herbst vergangenen Jahres.

Pikanterweise war auch der Besitzer des Wall Street Journal, Rupert Murdoch, unter den Theranos-Inves­toren, die schließlich ihr Geld verloren. Holmes hatte zudem einflussreiche Figuren wie die Ex-Außen­mi­nister Henry Kissinger und George Shultz sowie Donald Trumps späteren Verteidigungsminister James Mattis in den Verwaltungsrat geholt. Sie verliehen Theranos Glaubwürdigkeit, hatten aber keine Exper­tise in der Medizintechnik.

In der Familie von George Shultz sorgte die Kontroverse für ein jahrelanges Zerwürfnis. Shultz' Enkel Tyler, der zeitweise bei Theranos gearbeitet hatte, war eine zentrale Quelle der Enthüllungen. Sein Groß­vater hielt aber lange danach noch zu Holmes. Die Eltern von Tyler Shultz befürchteten zwischenzeitlich den finanziellen Ruin und flehten ihren Sohn an, es gut sein zu lassen, wie er später erzählte.

Die Anklage warf Holmes vor, Geldgeber bewusst hinters Licht geführt zu haben, um an Investitionen für Theranos zu kommen. Die Geschworenen sahen das bei drei Geldspritzen bestätigt – und sprachen Hol­mes in einem weiteren Anklagepunkt auch der Verschwörung zum Betrug schuldig, wie aus Gerichts­un­terlagen von gestern hervorging.

Holmes sagte in dem Prozess aus, sie habe aufrichtig an die Technologie geglaubt, aber als Chefin nicht von allen Problemen gewusst. Für eine Verurteilung mussten die Ankläger die Geschworenen – acht Männer und vier Frauen – überzeugen, dass Holmes Investoren mit betrügerischen Absichten falsch infor­miert und Fehler bei Tests von Patienten in Kauf genommen habe.

Bei drei Anklagepunkten konnten sich die Geschworenen nicht auf das nötige einstimmige Votum eini­gen. Diese Vorwürfe können die Staatsanwälte noch einmal vor Gericht bringen. Zunächst war unklar, ob sie das anstreben wollen.

Die Staatsanwälte pickten sich für die Anklage die Fälle von zwei Patienten sowie sechs Überweisungen von Theranos-Geldgebern im Höhe zwischen knapp 100.000 und rund 100 Millionen Dollar aus den Jahren 2013 und 2014 heraus. Des gezielten Betrugs an Patienten befanden die Geschworenen Holmes nicht schuldig.

dpa

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