Häufige direkte Übertragung der XDR-Tuberkulose in Südafrika
Kapstadt/Atlanta – Die extrem arzneimittelresistente Tuberkulose (XDR-Tb) ist in Südafrika nicht nur Folge einer gescheiterten Therapie. Die meisten Erkrankungen sind laut einer Studie im New England Journal of Medicine (2017; 376: 243-2) Folge einer direkten Übertragung. Eine wichtige Ansteckungsquelle sind laut einer Studie in Lancet Respiratory Medicine (2016; doi: 10.1016/S2213-2600(16)30433-7) Patienten, die als unheilbar nach Hause entlassen werden. Die Autoren fordern eine verstärkte Untersuchung von Kontaktpersonen. Auch stationäre Behandlungseinrichtungen sind in der Diskussion.
Vor der Entwicklung von effektiven Medikamenten gab es in vielen Ländern sogenannte Lungenheilstätten. Ihr Ziel war weniger die Ausheilung, als die Isolierung der Patienten, die bei einer offenen Lungentuberkulose hochansteckend sein konnten. Mit der Entwicklung von Streptomycin und Isoniazid (später auch Ethambutol und zuletzt Rifampicin) wurde nach dem zweiten Weltkrieg erstmals eine kurative Therapie der Tuberkulose möglich. Die Tuberkulose-Sanatorien wurden nach und nach geschlossen. Heute ist eine Isolierung der Erkrankten nicht mehr notwendig. Die medikamentöse Therapie verhindert in der Regel, dass die Patienten ansteckend sind.
Dies könnte sich in einigen Krisenländern wieder ändern. In Südafrika ist die Zahl der XDR-Tb-Fälle in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Inzidenz der XDR-Tb ist mit 2,8 auf 100.000 Personen höher als die Inzidenz aller Tuberkulose-Erkrankungen in den USA oder in Deutschland. Ursprünglich wurde die Zunahme der XDR-Tb auf ein Versagen der Primärtherapie der konventionellen Tuberkulose zurückgeführt. Mittlerweile steht jedoch fest, dass die Erkrankung auch direkt übertragen werden kann.
Ein Team um Neel Gandhi von der Emory Universität in Atlanta ist jetzt in einer Studie den Infektionswegen von 404 Patienten mit XDR-Tuberkulose aus der Provinz KwaZulu-Natal in Südafrika nachgegangen. Die XDR-Tuberkulose ist dort stark verbreitet, weil viele Menschen mit HIV infiziert sind. Die Immunschwäche hat zur Folge, dass die Menschen sich leichter anstecken und die Tuberkulose häufiger symptomatisch wird.
Die Befragung der 404 Patienten ergab, dass 280 (69 Prozent) zuvor keine Medikamente gegen eine MDR-Tuberkulose erhalten hatten. Bei der MDR-Tuberkulose sind die Patienten gegen zwei oder mehr Erstlinien-Tuberkulostatika resistent, bei der XDR-Tb liegen Resistenzen gegen mindestens zwei Zweitlinien-Tuberkulostatika vor.
Patienten, die zuvor keine Medikamente gegen eine MDR-Tuberkulose erhalten haben, müssen sich bei anderen Menschen mit MDR-Tuberkulose angesteckt haben. Eine spontane Resistenzentwicklung ist bei Mykobakterien sehr unwahrscheinlich. Tatsächlich konnten die US-Forscher 323 von 386 Teilnehmer (84 Prozent) durch genotypische Analysen der Bakterien einem von 31 Clustern zuordnen. Einer dieser Cluster bestand aus 212 Personen. Bei 123 von 404 Infizierten konnte sogar die wahrscheinliche Ansteckungsquelle identifiziert werden.
Die Infizierten nannten 2.901 Personen, mit denen sie engeren Kontakt hatten. Dies waren meist Familienmitglieder oder Klinikpatienten. Die Kontakte fanden aber auch in Kirchen, Bars, Beauty-Salons, Gefängnissen, Restaurants oder Diskotheken statt. Es ist unklar, wie viele andere Menschen die Infizierten angesteckt haben. Aus Erfahrung würde jedoch jeder zweite enge Kontakt infiziert, schreibt Gandhi. Bei den meisten bleibt es bei einer latenten Tuberkulose. Auch eine XDR-Tb kann vermutlich lebenslang ohne Symptome bleiben. Für den Patienten besteht dann keine Gefahr. Wenn es allerdings zum Ausbruch einer aktiven Tuberkulose kommt, dürfte die Behandlung sich von Anfang an schwierig gestalten. Gandhi spricht sich für eine verbesserte Kontakt-Ermittlung aus, um eine weitere Ausweitung der Epidemie zu verhindern.
Diese Strategie hat sich in reicheren Ländern in den letzten Jahrzehnten als sehr effektiv erwiesen. In Südafrika gibt es jedoch keine Infrastruktur für eine intensive Kontaktermittlung. Hinzu kommt, dass das Geld für kostspielige Reservemedikamente wie Delamanid, Bedaquilin, Linezolid and Rifabutin fehlt. Viele Patienten werden deshalb als unheilbar nach Hause geschickt. Keertan Dheda von der Universität Kapstadt konnte in einer Kohorte bei jedem vierten Patienten in den ausgepusteten Aerosolen Tuberkelbazillen nachweisen.
Jeder fünfte hatte während seiner restlichen Lebenszeit von etwa 10 Monaten mindestens eine weitere Person angesteckt. Jede zweite dieser Sekundärinfektionen endete tödlich. Dheda fordert zwar nicht die Einführung einer Zwangsbehandlung in Tuberkulose-Sanatorien. Es fehlten jedoch Einrichtungen zur freiwilligen langfristig stationären Behandlung und palliativen Pflege der Patienten.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: