Wie Ethambutol bei Tuberkulose wirkt
München – Ethambutol gehört seit Langem zur Standardtherapie gegen Tuberkulose (TB). Das Mittel wirkt bakteriostatisch, tötet die Zellen aber nicht ab. Eine Arbeitsgruppe um Marc Bramkamp, Mikrobiologe an der Ludwigs-Maximilians-Universität München, hat den Wirkmechanismus jetzt im Detail untersucht und dabei unter anderem mit höchstauflösender Mikroskopie den Einfluss des Antibiotikums auf die Bakterienzellen sichtbar gemacht. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift mBio erschienen, dem Open-Access-Magazin der American Society for Microbiology (2017; doi: 10.1128/mBio.02213-16).
TB gehört weltweit zu den zehn häufigsten Todesursachen, jedes Jahr sterben 1,5 Millionen Menschen an der Infektion. TB-Patienten müssen eine antibiotische Kombinationstherapie einnehmen, zu der häufig auch Ethambutol gehört. „Es ist schon lange im Einsatz, doch wie genau es wirkt, war bislang nicht bekannt“, schreiben die Autoren.
Die Zellwand von Mycobacterium tuberculosis ist komplex aufgebaut: Um die bei den meisten Bakterien übliche Schicht aus Peptidoglykan, einem Netz aus speziellen Zuckern und Aminosäuren, liegt ein Geflecht von Zuckern wie Galaktose und Arabinose, das sogenannte Arabinogalaktan. Damit verbunden ist wiederum eine dichte Lipidschicht, die die gesamte Bakterienhülle widerstandsfähig macht.
Die stäbchenförmigen Mykobakterien wachsen besonders von den Enden her, den sogenannten Zellpolen. Von dort aus, so konnten die LMU-Wissenschaftler mit ihren Experimenten an harmlosen Verwandten des Tuberkuloseerregers zeigen, überzieht eine komplexe Synthesemaschinerie die Bakterienzelle im Normalfall mit den beiden äußeren Hüllen. Diesen Prozess unterbindet Ethambutol: Es sorgt dafür, dass sich die Arabinosemoleküle nicht zu größeren Einheiten zusammenfügen können, den Bakterien fehlt eine intakte Arabinogalaktanschicht und damit auch der äußere Lipidmantel.
Allerdings konnten die Wissenschaftler auch eine zweite Wirkung der Ethambutol-Behandlung nachweisen: Aus den ehemals langgezogenen Stäbchen werden im Verlauf der Zellteilungszyklen immer kugelförmigere Bakterien. Dies zeigt laut den Wissenschaftlern, dass die Zellen in die sogenannte stationäre Phase übergehen, eine Art Schlafstadium, das sie unangreifbar macht für Antibiotika, die sich gegen wachsende Zellen richten.
„Mit Ethambutol allein würde man die Erreger also in einen Zustand bringen, in dem man sie gewiss nicht haben möchte“, erläuterte Bramkamp. Allerdings ergänzen und verstärken in der TB-Therapie Antibiotika, die in die Peptidoglykansynthese eingreifen, Ethambutol in seiner Wirkung.
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