Politik

Hartes Ringen um Bundesgesetz gegen Corona

  • Montag, 12. April 2021
/picture alliance, Michael Kappeler
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Berlin – Wenn die Änderung des Infektionsschutzgesetzes wie geplant morgen vom Bundeskabinett be­schlossen werden soll, müsste heute eine entsprechende Einigung gefunden werden. Zu den Detailfra­gen äußerten jedoch neben der Bundestagsopposition auch die Länder und der Landkreistag Kritik.

Trotz der auch aus SPD-Ländern geäußerten Kritik versicherte SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz aller­dings, dass diese hinter dem Vorhaben stünden. Er habe mit den Ministerpräsidenten seiner Partei ge­sprochen, sagte der Bundesfinanzminister gestern Abend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Er gab sich zuversichtlich: Der Gesetzesantrag für ein Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemi­schen Lage von nationaler Tragweite werde morgen im Kabinett beschlossen.

Die FDP, aber auch die Linken und Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisieren die vorgesehenen Ausgangsbeschränkungen. FDP und Kretschmer bemängeln zudem, dass sich der Entwurf vor allem an der Inzidenz und nicht auch an anderen Parametern orientiert. Das SPD-geführte Nieder­sa­chsen sieht die Erfahrungen der Länder mit der Pandemiebekämpfung nicht angemessen berücksichtigt. Die SPD fordert zusammen mit Grünen und Linken auch eine Testpflicht für Unternehmen.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die Kritik­punkte seiner Partei: „Ich sehe deshalb kaum Möglichkeiten, dem Vorhaben zuzustimmen.“ Der Entwurf sei an mehreren Stellen „dringend nachbesserungsbedürftig“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Gö­ring-Eckardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

In der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegenden Formulierungshilfe des Bundes werden mehrere Maßnah­men für Landkreise vorgeschlagen, in denen binnen einer Woche eine Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner oder mehr registriert wird – das sind aktuell mehr als die Hälfte aller Landkrei­se.

Gestattet wären private Treffen nur noch eines Haushaltes mit einer weiteren Person, ohne Kinder ins­gesamt maximal fünf Personen. Vorgesehen sind zudem nächtliche Ausgangsbeschränkungen von 21 bis 5 Uhr, mit nur wenigen Ausnahmen – etwa medizinische Notfälle oder Wege zur Arbeit, nicht aber Abendspaziergänge. Erst ab einer Inzidenz von 200 sollen die Schulen schließen.

Um das Gesetzesvorhaben wie geplant schneller als üblich durch Bundestag und Bundesrat zu bringen, braucht es aber auch die Bundestagsopposition, weil das beschleunigte Verfahren mit Zweidrittelmehr­heit beschlossen werden müsste.

„Ich bin hoffnungsvoll, und es liegt jetzt an der Opposition, ob sie das Verfahren beschleunigt“, betonte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Auch sein nordrhein-westfälischer Kollege, der CDU-Vorsit­zende Armin Laschet, wünschte sich im ARD-„Bericht aus Berlin“, dass es schnell geht. „Denn die (Infek­tions-)Zahlen sind absehbar und die hängen nicht von Beratungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat ab.“

Laschet, Söder und Schwesig für Bundesgesetz

Neben Laschet und Söder stellte sich auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Ma­nuela Schwesig, hinter die Pläne des Bundes. „Wir sind offen für die Gesetzesänderung, wir finden schon lange, dass bestimmte Beschränkungen und auch Instrumente in ein Bundesgesetz gehören. Zum Bei­spiel die Ausgangsbeschränkungen“, sagte die SPD-Politikerin den Sendern RTL und ntv. Zugleich müsse es aber mehr Unterstützung etwa für die Gastronomie geben. Die SPD-Fraktion im Bundestag forderte ebenfalls neue Hilfsprogramme.

Der Landkreistag verurteilte die Pläne der Bundesregierung hingegen scharf. „Der vorliegende Entwurf ist ein in Gesetz gegossenes Misstrauensvotum gegenüber Ländern und Kommunen“, sagte Präsident Reinhard Sager den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Damit verlässt der Bund den Modus gemeinsamer Krisenbekämpfung und will direkt vor Ort wirkende Maßnahmen anordnen.“ Damit würden zum Beispiel „verantwortbare Modellversuche über einer Inzidenz von 100“ praktisch unterbunden. Dagegen hatte der Deutsche Städtetag die geplanten einheitlichen Notbremsenregelungen zuvor begrüßt.

Binnen eines Tages wurden dem Robert-Koch-Instituts (RKI) 13.245 Coronaneuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 99 neue Todesfälle verzeichnet – das geht aus Zahlen des RKI von heute Morgen hervor. Am Montag sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter an­derem weil am Wochenende weniger getestet wird. Zudem könnten die Zahlen wegen der Schulferien noch nicht vergleichbar mit früheren Werten sein.

RKI-Präsident Lothar Wieler rechnete ab Mitte dieser Woche wieder mit verlässlicheren Daten zur Coro­na­pandemie. Vor einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 8497 Neuinfektionen und 50 neue Todes­fälle verzeichnet.

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner lag laut RKI-Angaben von heute bundesweit bei 136,4. Am Vortag gab das RKI diese Sieben-Tage-Inzidenz mit 129,2 an, vor einer Woche lag sie bei 128. Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht von gestern bei 1,08 (Vortag: 1,02).

dpa/afp

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