Hausärztliche Leistungen werden ab Oktober entbudgetiert

Berlin – Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung können ab dem 1. Oktober in voller Höhe vergütet werden. Nach Inkrafttreten des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) – mit dem der Wegfall der hausärztlichen Honorarbudgets beschlossen wurde – hat der Erweiterte Bewertungsausschuss nun das konkrete Verfahren der Entbudgetierung festgelegt.
Wie der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zeigt, werden ab Oktober alle Leistungen des Kapitels 3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM), also Leistungen des hausärztlichen Versorgungsbereiches, sowie die hausärztlichen Hausbesuche (Gebührenordnungspositionen 01410 bis 01413 sowie 01415) ohne Budgetierung bezahlt. Die restlichen Leistungen verbleiben in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV).
Zur Finanzierung dieser Leistungen wird es künftig mit der Hausarzt-MGV einen neuen Honorartopf für Hausärzte geben. In die Hausarzt-MGV fließen die finanziellen Mittel, die derzeit noch in der MGV für die Leistungen enthalten sind, die ab Oktober ohne Budgetierung bezahlt werden.
Sollten diese Finanzmittel nicht ausreichen, müssen die Krankenkassen entsprechende Ausgleichszahlungen leisten – wobei eventuelle Unterschreitungen aus Vorquartalen zu verrechnen sind.
Die Ausgliederung der Hausarzthonorare in eine Hausarzt-MGV führt zugleich an anderer Stelle zu neuen Problemen. Denn sie hat Einfluss auf die Berechnung der Mittel für den Strukturfonds zur Sicherstellung der Versorgung – und der Gesetzgeber hatte keine klare gesetzliche Regelung für die Neuberechnung nach einer Ausgliederung der Hausarzthonorare getroffen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verwies daher auch darauf, dass nach dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses noch unklar sei, wie in Zukunft „notwendige und gesetzlich geforderte Maßnahmen“ zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung finanziert werden sollen.
Man habe während des Gesetzgebungsverfahrens zum GVSG mehrfach ohne Erfolg gefordert, dass die Finanzierung von Strukturmaßnahmen in dem Gesetz zur Entbudgetierung klar geregelt werden müsse.
Da das GVSG nun keine eindeutige Regelung enthält, hätten die Krankenkassen im Bewertungsausschuss abgelehnt, die Gelder vor Festlegung der neuen Hausarzt-MGV der MGV zu entnehmen, so die KBV. Stattdessen sei verlangt worden, dass die Hausärztinnen und Hausärzte die Sicherstellungsmaßnahmen über einen Honorarabzug finanzieren sollen.
Auch der Erweiterte Bewertungsausschuss, den die KBV aus diesem Grund eingeschaltet hatte, kritisierte laut der Mitteilung die fehlende rechtliche Klarstellung und folgte daher der Argumentation der Krankenkassenseite.
Die KBV fordert nun eine schnelle gesetzliche Änderung, um die fehlende Regelung im Gesetz zu implementieren – andernfalls könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) Maßnahmen zur Sicherstellung nicht im bewährten Umfang fortführen.
Zum Hintergrund: Zur Finanzierung von Fördermaßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung haben die KVen laut gesetzlicher Vorgaben unter anderem einen Strukturfonds zu bilden (Paragraf 105 Abs. 1a Sozialgesetzbuch V). Für diesen Strukturfonds sollen sie mindestens 0,1 Prozent und höchstens 0,2 Prozent der MGV zur Verfügung stellen. Die Krankenkassen sind im Gegenzug verpflichtet, einen Betrag in gleicher Höhe in den Strukturfonds zu entrichten.
Aus dem Fonds werden unter anderem Zuschüsse zu den Investitionskosten bei Neuniederlassungen und Praxisübernahmen, zur Vergütung und Ausbildung sowie für Stipendien und die Förderung von Eigeneinrichtungen, Sonderbedarfszulassungen und des Betriebs der Terminservicestellen finanziert. Sinkt mit der Gesamt-MGV die Basis für die Mittelentnahme ab, in diesem Fall durch die Bildung der Hausarzt-MGV, reduzieren sich in der Folge auch die Gelder für den Fonds.
Ebenfalls verhandelt haben KBV und GKV-Spitzenverband zu der neuen Vorhaltepauschale für hausärztliche Praxen. Auch dafür wurde mit dem GVSG der gesetzliche Rahmen geschaffen.
Wie die KBV mitteilte, einigten sich beide Seiten auf Eckpunkte. Auf deren Basis soll nun im Bewertungsausschuss weiterverhandelt werden. Unter anderem bestehe bereits Konsens darüber, dass es eine Konvergenzphase geben soll, damit Praxen sich schrittweise auf die neuen Anforderungen einstellen können.
Der Bewertungsausschuss hat mit dem GVSG den Auftrag erhalten, die Zusatzpauschale für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags neu festzulegen, die Hausärzte seit dem Jahr 2013 für die Vorhaltung von Strukturen erhalten, die zur Erfüllung von Aufgaben der hausärztlichen Grundversorgung notwendig sind. Dabei sollen laut Gesetz Kriterien wie eine Mindestzahl an Haus- und Pflegeheimbesuchen und bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten vereinbart werden.
Im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgegebenen Ausgabenneutralität warnte die KBV bereits in der Vergangenheit vor deshalb notwendigen Honorarumverteilungen. Man setze sich in den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband dafür ein, die möglichen Verluste für einige Praxen so gering wie möglich zu halten. Ein Ziel sei unter anderem, dass auch kleinere Praxen weiterhin die Vorhaltepauschale erhalten. Die neue Vorhaltepauschale soll zum 1. Oktober eingeführt werden.
Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier, begrüßten den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses. „Ab Oktober werden viele Hausarztpraxen davon spürbar profitieren – insbesondere in den Regionen, die bisher massiv unter der Budgetierung gelitten haben.“ Das sei für viele Kolleginnen und Kollegen und ihre Praxisteams „Rettung in höchster Not“.
Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband betont allerdings, dass bereits während des Gesetzgebungsprozesses klar gewesen sei, dass die fehlenden Klarstellungen im GVSG bezüglich der Sicherstellungsmaßnahmen zu Problemen führen würden, „die die Höhe der Nachschusspflicht durch die Krankenkassen betreffen“.
Der Gesetzgeber sei jetzt aufgefordert, noch einmal nachzuschärfen. Ansonsten lasse er zu, „dass sich die Krankenkassen mit ihren Trickserien seinem ausdrücklichen politischen Willen bewusst widersetzen“.
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