Haushaltspläne: Mehr Geld für Produktion kritischer Arzneimittel, keine Mittel für Gesundheit und Pflege

Berlin – Die Bundesregierung plant für die kommenden Jahre deutlich mehr Geld als bisher vorgesehen ein, um die Ansiedlung und den Erhalt der Produktion kritischer Arzneimittel in Deutschland zu fördern. Das geht aus einer aktuellen Bereinigungsvorlage für den Haushalt 2026 hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Demnach ist in den Etat des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWE) für das Jahr 2026 ein Betrag von 49,856 Millionen Euro im Einzelplan 9 neu eingestellt. Bisher war im Wirtschaftsministerium eine Summe von 16,542 Millionen Euro für denselben Zweck vorgesehen.
Gestrichen werden soll den Unterlagen zufolge zugleich ein Ausgabeblock „Anreize für Ansiedlung und Erhalt von Wirkstoffherstellungsstätten in Deutschland“ in Höhe von 16,666 Millionen Euro im Einzelplan 15 des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Dieser Posten im BMG-Etat war im Haushaltsausschuss bereits als unsystematisch platziert kritisiert worden.
Die Haushaltsvorlage sieht auch für die Jahre 2027 bis 2029 jeweils einen Betrag von etwas mehr als 49 Millionen Euro vor. Insgesamt belaufen sich die Ausgaben in den kommenden vier Jahren damit auf knapp 200 Millionen Euro.
Zur Finanzierung der Pflegeversicherung oder den Finanzproblemen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steht nichts in der Bereinigungsvorlage. „Die Bereinigungsvorlage der Koalition bleibt - wie schon ihre bisherigen Vorschläge zur Stabilisierung der Sozialversicherungen – inhaltsleer“, sagte Paula Piechotta, Mitglied im Haushaltsausschuss und Berichterstatterin für den Gesundheitsetat der Grünen Bundestagsfraktion.
Weder für die gesetzliche Krankenversicherung noch für die Pflegeversicherung seien Maßnahmen oder zusätzliche Mittel vorgesehen. Die Bundesregierung schaue tatenlos zu, wie die Finanzlage der Kassen weiter kippe.
Morgen treffen sich Pharmaindustrie und Politik im Kanzleramt zum „Pharmadialog“. Inwieweit die Haushaltspläne dort eine Rolle spielen werden, ist unklar. Das gilt auch für die Frage, ob die Pharmaindustrie einen Beitrag zur Konsolidierung der Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) leisten muss.
Die Krankenkassen pochten heute darauf, auch die Pharmaindustrie heranzuziehen. Auch wenn die Bundesregierung die Pharmabranche zur „Leitwirtschaft“ machen wolle, dürfe die „blendend verdienende Pharmabranche“ nicht von allen Effizienzanstrengungen im Gesundheitswesen per se ausgenommen werden, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann.
Allein die kurzfristige Anhebung des Herstellerrabatts von heute neun auf 16 Prozent könnte die Branche gut verschmerzen. „Ein solcher Schritt wäre ausgewogen, zudem hocheffektiv, brächte er doch der GKV in der angespannten Finanzlage auf einen Schlag 1,8 Milliarden Euro Entlastung“, so Reimann.
Sie mahnte, die Bundesregierung müsse beim Pharmadialog die Arzneimittelpreise in der GKV mit auf die Agenda nehmen. Überhöhte Arzneimittelkosten müssten von allen Beitragszahlern und Unternehmen getragen werden. Auch das muss berücksichtigt werden, wenn über wirtschaftspolitische Fördermaßnahmen nachgedacht werde.
„Herbstdepression“ in der Pharmaindustrie
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) wies heute darauf hin, dass sich die Chemie- und Pharmaindustrie angesichts hoher Standortkosten und weltweiter Überkapazitäten auf einem Tiefpunkt befindet.
Im dritten Quartal von Juli bis September seien Produktion, Preise und Umsätze erneut zurückgegangen, die Kapazitätsauslastung sei „deutlich“ unter der Rentabilitätsschwelle geblieben, erklärte der Verband. Eine Besserung sei kurzfristig nicht in Sicht. Der Verband sprach von einer „Herbstdepression“ in der Branche.
In der Chemie „hakt es an allen Enden“. Die Produktion sank im dritten Quartal um 0,5 Prozent im Vorquartalsvergleich und um 4,3 Prozent im Vorjahresvergleich. Nur noch 70 Prozent der Kapazitäten in der Chemie waren ausgelastet. Für das Gesamtjahr erwartet der Verband einen Produktionsrückgang um zwei Prozent.
Im Pharmageschäft träfen die erratische US-Handelspolitik, Zölle und ein globaler Preisverfall den Standort Deutschland, erklärte Große Entrup. Hier stieg die Produktion zum Vorquartal aber noch leicht um 0,1 Prozent, im Vergleich zum Vorjahresquartal um 3,4 Prozent.
Der VCI kritisierte insbesondere den hohen Strompreis in Deutschland, der im dritten Quartal sogar noch „kräftig“ um 17,5 Prozent gestiegen sei. Die oft energieintensiven Unternehmen der Branche könnten die hohen Kosten nicht an ihre Kunden weitergeben.
Stattdessen sanken die Erzeugerpreise in der Chemie- und Pharmaindustrie sogar, und zwar um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal und zum Vorjahresquartal. Entsprechend sanken die Umsätze um 1,5 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal auf 52,1 Milliarden Euro.
Hauptgeschäftsführer Große Entrup erklärte, die Bundesregierung sei sich „dem Ernst der Lage bewusst“. Sie habe aber trotz Sondervermögen und einiger wirtschaftspolitischer Kurskorrekturen nicht für eine wirtschaftliche Trendwende gesorgt.
Für das vierte Quartal sei die Branche „überwiegend skeptisch“, erklärte der Verband. Die Auftragsflaute in der Chemie „dürfte sich fortsetzen“. Er erwartet „weitere Kapazitätsstilllegungen von Chemieanlagen“. Das Pharmageschäft verliere an Dynamik, im Jahresverlauf seien die Umsätze zurückgegangen.
Die „Dauerkrise“ mache sich auch in der Beschäftigung bemerkbar, Meldungen von geplantem Personalabbau häuften sich, erklärte der Verband. Es brauche aber Zeit, diese Pläne umzusetzen. Bislang sei die Zahl der Beschäftigten in der Chemie- und Pharmaindustrie daher nur um 0,5 Prozent zurückgegangen, auf knapp 478.000.
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