Hautkrebsscreenings nicht weiter aufschieben

Berlin – Dermatologen erwarten als Folge der Coronapandemie eine zunehmenden Versorgungslast zum Beispiel durch verschleppte Hautkrebsdiagnosen. Größere Tumore bei der Erstdiagnose sind mit schlechteren Heilungschancen und höheren Risiken für die Entstehung von Metastasen verbunden.
Daher rief der Vizepräsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD) Thomas Stavermann, Ärztlicher Leiter im MVZ Hautzentrum Gropiuspassagen in Berlin, anlässlich der Dermatologie Kompakt & Praxisnah Tagung 2022 dazu auf, Hautkrebsscreenings nicht länger aufzuschieben.
Laut Abrechnungsdaten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) sanken mit Beginn der COVID-19-Pandemie im März 2020 die Fallzahlen beim gesetzlichen Hautkrebsscreening im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2019 dramatisch um bis zu 70 Prozent.
Auch in den anschließenden Quartalen verharrte die Inanspruchnahme der Hautkrebsfrüherkennungsuntersuchung unter dem Vorjahresniveau. Dieser Trend setzte sich im ersten Halbjahr 2021 mit einem durchschnittlichen Minus von 14,3 Prozent im Vergleich zu 2019 fort.
Da das Hautkrebsscreening eine Sichtung des gesamten Körpers erfordert und 1,5-Meter-Abstandsregeln dabei auf keinen Fall eingehalten werden können, haben viele Patienten als Vorsichtsmaßnahme vor Ansteckung mit COVID-19 das Hautkrebsscreening immer wieder aufgeschoben.
„Insbesondere die Älteren und Ängstlichen sind bei den Früherkennungsuntersuchungen zurückhaltender geworden“, so die Erfahrung von Stavermann. Die Konsequenzen werden für Patienten und Dermatologen bald spürbar werden, warnte der Experte.
„Eine verschleppte Diagnose birgt insbesondere beim malignen Melanom, das hohe Risiko, dass der Tumor bereits gestreut hat, was die Prognose deutlich verschlechtert“, warnte Stavermann. Beim malignen Melanom erhöhe eine Tumordicke ab 1,01 Millimeter Risiko für die Entstehung von Metastasen deutlich.
Auch beim Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom ist eine frühe Diagnose essenziell, um die häufig notwendigen Operationen ohne Komplikationen oder größeren Aufwand durchführen zu können.
„Gerade beim hellen Hautkrebs sehen wir – beispielsweise im Augenbereich – häufiger größere Tumore bei der Erstdiagnose als vor der Pandemie. Dies erfordert wiederum häufiger eine Überweisung in die Klinik, was wegen mangelnder Kapazitäten schwierig ist“, erläuterte Stavermann. Außerdem sind während der Pandemie Patienten verzögert zu Befundbesprechungen und auch seltener zur Nachsorge erschienen.
Der hohe Anteil der Geimpften und tagesaktuelle Testungen auf eine mögliche COVID-19-Infektion geben in der Sprechstunde genug Sicherheit, die Ganzkörperuntersuchung und Beratung nicht länger aufzuschieben.
„Als Berufsverband rufen wir daher seit Jahren dazu auf, das gesetzliche Hautkrebsscreening in Anspruch zu nehmen, aber auch eine regelmäßige Selbstinspektion der Haut durchzuführen und bei verdächtigen Veränderungen einen Hautarzt aufzusuchen“, betonte Stavermann.
Das deutsche Krebsregister erfasst jährlich etwa 272.000 Menschen, die neu an Hautkrebs erkranken. Davon 37.000 an malignes Melanom, 143.000 an Basalzellkarzinom und 92.000 an Plattenepithelkarzinom.
Das Krebsregister registriert nur Erst-Ereignisse, gab Stavermann zu bedenken. Beim Hautkrebs seien Zweit- und weitere Folgetumoren jedoch häufig, so dass von deutlich höheren Zahlen ausgegangen werden kann. Nach aktuellen Modelrechnungen sind im Jahr 2019 wahrscheinlich über 500.000 neue Hautkrebsfälle aufgetreten.
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