Medizin

Hepatitis B: Weltweites Gesundheitsproblem könnte nach Deutschland ausstrahlen

  • Dienstag, 28. Juli 2015
Uploaded: 28.07.2015 13:36:06 by mis
dpa

Braunschweig/Berlin – Obwohl seit längerem eine effektive Impfung möglich ist, leiden weltweit noch immer 248 Millionen Menschen unter einer chronischen Hepatitis B. Dies geht aus einer Schätzung im Lancet (2015; doi: 10.1016/ S0140-6736(15)61412-X) hervor, die anlässlich des heutigen Welthepatitistages veröffentlich wurde. Deutschland gehört, nicht zuletzt dank der hohen Impfquote, zu den Niedrig-Prävalenzländern, doch seit 2012 ist die Zahl der Meldungen an das Robert Koch-Institut (RKI) nach einem Bericht im Epidemiologischen Bulletin (2015; 29: 271-285) leicht gestiegen, was eine Folge der zunehmenden Migrationsbewegungen sein könnte.

Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) verlaufen umso häufiger chronisch, je früher sie im Leben erworben werden. So entwickeln 90 Prozent der Kinder, die perinatal von der Mutter angesteckt werden, eine chronische Hepatitis. Bei Kleinkindern sind es noch zwischen 20 und 60 Prozent. Doch jedes vierte dieser Kinder wird als Erwachsener an Leberkrebs oder einer Leberzirrhose sterben. Der rekombinante Impfstoff, der 1982 entwickelt wurde und der seit 1992 von der WHO empfohlen wird, kann eine chronische Infektion verhindern. Doch in vielen Ländern wurde die Impfung bisher nicht eingeführt. Dies hat zur Folge, dass die Hepatitis B weltweit zu den häufigsten Infektions­erkrankungen gehört.

Das Team um Jördis Ott vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig geht aufgrund ihrer systematischen Übersicht von mehr als 17.000 Datensätzen aus den Jahren 1965 bis 2012 davon aus, dass derzeit 3,61 Prozent der Weltbevölkerung HBsAg-positiv ist, was eine aktive HBV-Replikation und damit zumeist eine chronische Hepatitis B anzeigt.

Die Prävalenzen sind weltweit unterschiedlich. Am höchsten sind sie in Afrika (Prävalenz: 8,83 Prozent) und der West-Pazifik-Region (Prävalenz: 5,26 Prozent). Doch auch innerhalb der einzelnen WHO-Regionen gibt es große Unterschiede. So sind in Mexiko nur 0,20 Prozent der Bevölkerung infiziert, in Haiti sind es dagegen 13,55 Prozent. Auf den zu Afrika gehörenden Seychellen beträgt die Prävalenz 0,48 Prozent, im Südsudan dagegen 22,38 Prozent. In Deutschland beträgt die Prävalenz nach den von Ott recherchierten Daten 0,70 Prozent. Das würde bedeuten, dass hierzulande mehr als eine halbe Million Menschen mit Hepatitis B infiziert sind. Die allermeisten wissen nichts davon, solange sich keine Leberschäden eingestellt haben.

In Deutschland sind Erkrankungen an einer Hepatitis B (wie auch andere Viruser­krankungen der Leber) meldepflichtig. Die Zahl der gemeldeten Fälle war seit 1997 mit geringen Schwankungen rückläufig. Seit 2012, als 1.935 Fälle gemeldet wurden, kam es zu einem leichten Anstieg. Im Jahr 2014 wurden dem RKI 2.374 Fälle gemeldet, von denen allerdings nur 755 die Referenzdefinition erfüllen, die den Beweis einer aktiven Virusreplikation erfordern. Die allermeisten Patienten wurden vor 1995 geboren. In diesem Jahr hat die Ständige Impfkommission die Hepatitis B-Impfungen in ihre Empfehlungen aufgenommen, die weitgehend befolgt werden. Bei den Schulein­gangsuntersuchungen 2013 hatten 88 Prozent der Kinder einen Eintrag im Impfpass.

Etwa die Hälfte aller Neuinfektionen (55 Prozent) erfolgte durch sexuelle Kontakte. Die Hauptrisikogruppe sind hier Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), und das RKI rät dieser Gruppe dringend, sich gegen Hepatitis B nachimpfen zu lassen. Der zweit­häufigste Übertragungsweg war mit einem Anteil von 23 Prozent eine Wohngemeinschaft mit einem aktiven Hepatitis B-Virusträger, gefolgt von i.v.-Drogengebrauch mit 14 Prozent.

Zu den vulnerablen Personen gehören übrigens auch Bewohner von Pflegeheimen. Hier kommt es immer wieder zu kleineren Ausbrüchen, so auch 2014 in einem Fall, wobei die Blutzuckermessung ein Übertragungsweg ist. Offenbar werden hier schwere Hygienefehler gemacht bis hin zur Mehrfachverwendung der Einmallanzetten. Berufliche Infektionen sind selten: Im Jahr 2013 gab es 55 Entscheidungen zu Verdachts- mel­dungen, von denen 24 als Berufskrankheit anerkannt wurden.

Infolge der steigenden Durchimpfung der Bevölkerung sollte das Infektionsrisiko in den kommenden Jahren weiter sinken. Die Migration von Menschen aus Hoch-Prävalenz­ländern nach Deutschland könnte diesem Trend nach Einschätzung des RKI jedoch entgegenwirken. Da ein Migrationshintergrund bei den Meldungen nicht erwähnt wird, ist dies zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch eine reine Spekulation.

Die Hepatitis D ist in Deutschland sehr selten. Sie ist nur als „Superinfektion“ möglich, da das Virus für die Infektion die Hülle des Hepatitis-B-Virus benötigt. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland nur 17 Erkrankungen an Hepatitis D übermittelt (plus 40 labor­dia­gnos­tisch nachgewiesene Fälle ohne klare Hepatitis). Wenn eine Hepatitis D aller­dings chronisch verläuft, kommt es in 70 bis 90 Prozent zu schweren Erkran­kungen.

rme

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