Hernienoperation: Langfristige Komplikationen könnten Vorteile von Netzeinlagen infrage stellen

Kopenhagen – Eine Netzeinlage soll bei der operativen Reparatur von Bauchwandhernien Rezidive verhindern. Die Fremdkörper können jedoch Komplikationen auslösen, die in einer Auswertung des dänischen Hernienregisters langfristig die Vorteile der netzbasierten Reparatur infrage stellten. Die Ergebnisse wurden auf dem Clinical Congress 2016 des American College of Surgeons vorgestellt und im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; doi: 10.1001/jama.2016.15217) veröffentlicht.
Die Reparatur von Bauchwandhernien ist die häufigste Operation der Viszeral- und Allgemeinchirurgie, doch die Evidenz kann sich – wie bei vielen anderen Operationen auch – kaum auf die Ergebnisse randomisierter klinischer Studien stützen. Viele Einzelheiten der Operation sind deshalb umstritten – etwa zum anatomischen Zugang, zur Wahl der Materialien, ihrer Beschichtung und ihrere Positionierung relativ zu den Faszien sowie die Nahttechniken. jeder Chirurg hat hier seine eignen Vorlieben.
In einem Punkt sind sich jedoch die meisten Operateure (und die Fachverbände) einig: Eine netzbasierte Reparatur bietet die beste Gewähr gegen ein frühzeitiges Rezidiv. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Team um Thue Bisgaard vom Dänischen Hernienregister in Kopenhagen in einer Auswertung der Daten von 3.242 Patienten, die zwischen Januar 2007 und Dezember 2010 in Dänemark operiert wurden.
Das „Dansk Herniedatabase“ umfasst 80 bis 90 Prozent aller Bauchhernien-Operationen in Dänemark, was eine bevölkerungsbezogene Analyse zulässt. Insgesamt 54 Prozent der im Durchschnitt 59 Jahre alten Patienten hatten sich einer laparoskopischen Reparatur unterzogen, die immer mit Netzeinlage erfolgt, bei weiteren 35 Prozent war die netzbasierte Reparatur offen durchgeführt worden. Nur bei 11 Prozent der Patienten hatten die Chirurgen auf die Implantation eines Netzes verzichtet.
Wie erwartet war die Notwendigkeit einer erneuten Hernienreparatur nach einer netzbasierten Operation am niedrigsten. Nach einer offenen Operation ohne Netz wurden 17,1 Prozent der Patienten in den ersten sechs Jahren erneut operiert, wie die Forscher einem Abgleich mit dem Nationalen Patientenregister entnahmen, das alle Krankenhausbehandlungen erfasst. Nach einer netzbasierten offenen Operation betrug die Reoperationsrate 12,3 Prozent, nach einer laparoskopischen Operation waren es 10,6 Prozent. Die absolute Risikodifferenz betrug also 4,8 Prozent, beziehungsweise 6,5 Prozent.
Diesem Vorteil standen jedoch netzbezogene Komplikationen gegenüber, deren Zahl mit zunehmender Nachbeobachtungszeit kontinuierlich anstieg. Fünf Jahre nach der offenen Operation hatten 5,6 Prozent behandlungsbedürftige Komplikationen, nach einer laparoskopischen Hernien-Reparatur waren es 3,7 Prozent. In der Gruppe der Patienten, bei denen initial eine Reparatur ohne Netz versucht wurde, kam es nur bei 0,8 Prozent (wegen einer späteren netzbasierten Operation) zu Komplikationen. Die absolute Risikodifferenz betrug also 5,3 Prozent zur offenen netzbasierten und 3,4 Prozent zur laparoskopischen Operation.
Nach diesen Zahlen könnte eine netzbasierte Reparatur für viele Patienten langfristig die schlechtere Wahl gewesen sein, zumal die Komplikationen schwerwiegend sein können: Unter den insgesamt 142 netzbedingten Komplikationen waren 37 Darmverlegungen, drei Darmperforationen und eine Blutung. In den anderen Fällen war es zu chronischen Infektionen im Operationsgebiet oder im Sinustrakt (26 Fälle), zu späten intraabdominalen Abszessen (13), enterokutanen Fisteln (13), Seromen (15), Hämatomen (3) oder nicht heilenden Wunden (7) gekommen oder die Patienten wurden aufgrund anhaltender Schmerzen erneut operiert (24).
Wie alle retrospektiven Studien könnten Registerstudien die Wirklichkeit verzerrt wiedergeben. Auffällig ist ein hoher Anteil von großen Hernien (Größe über 15 Zentimeter), die netzbasiert operiert wurden. Der Anteil betrug bei offener Operation 16 Prozent, bei laparoskopischer Operation 16,4 Prozent gegenüber nur 4,1 Prozent bei offener Operation ohne Netzeinlage. Auffällig ist jedoch auch, dass die Chirurgen bei laparoskopischer Operation deutlich größere Netze verwendeten als nach offener Operation (durchschnittliche Netzgröße 180 cm2).
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