Vermischtes

Hirnscans deuten auf Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Vertrauen hin

  • Dienstag, 16. November 2021
/fran_kie, stock.adobe.com
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Bonn – Einsamkeit und ein reduziertes Vertrauen sind häufig miteinander verbunden. Das berichtet ein Wissenschaftlerteam der Universitäten Bonn, Haifa (Israel) und Oldenburg in der Fachzeitschrift Advan­ced Science (2021; DOI: 10.1002/advs.202102076).

Anhand eines Onlinefragebogens wählten die Forschenden um Dirk Scheele von der Medizinischen Psychologie am Universitätsklinikum Bonn aus 3.678 Erwachsenen 42 Personen aus, die von starker Einsamkeit betroffen waren, aber nicht an einer psychischen Erkrankung litten oder in psychothera­peutischer Behandlung waren.

Als Kontrollgruppe dienten 40 Personen, die nicht unter andauernder Einsamkeit litten. „Es war uns wich­tig, dass unsere Befunde auf die erlebte Einsamkeit zurückzuführen sind und ein Einfluss von psychi­schen Erkrankungen möglichst ausgeschlossen werden kann“, erläuterte die Erstautorin Jana Lieberz aus Scheeles Team.

Die Teilnehmenden absolvierten zunächst Aufgaben im funktionalen Magnetresonanztomografen. Unter anderem spielten sie ein Vertrauensspiel. Hierbei bekamen sie 10 Euro Startkapital. Anhand von einge­blendeten Porträtfotos sollten sie entscheiden, wieviel von dem Geld sie jeweils mit den gezeigten Menschen zu teilen bereit waren.

Ihnen war bekannt, dass ein Gewinn über das Startkapital hinaus nur dann möglich war, wenn sie ihr Startkapital mit anderen teilten. Gleichzeitig mussten sie jedoch auch darauf vertrauen, dass ihre Spielpartner das eingesetzte Geld nicht für sich behielten.

Im Anschluss an das Vertrauensspiel simulierten die Versuchsleiter mit der jeweiligen Versuchsperson zudem eine standardisierte Gesprächssituation, bei der es um emotional positive Inhalte ging: Was würden Sie mit einem Lottogewinn anfangen? Welche Hobbys haben Sie?

Hinterher befragte das Team die Versuchspersonen nach ihrer Stimmung. Außerdem untersuchten die Wissenschaftler anhand von Blut- und Speichelproben unter anderem einen Anstieg des Hormons Oxytocin als Reaktion auf das Gespräch und maßen die Distanz in Zentimetern, die die Probanden zur Versuchsleitung einhielten.

„Teilnehmer mit ausgeprägten Einsamkeitsgefühlen teilten weniger mit anderen als die Kontrollgruppe“, berichtet Scheele. Die Forschenden stellten zudem bei Gehirnarealen, die in die Vertrauensbildung invol­viert sind, Abweichungen in der Verarbeitung gegenüber der Kontrollgruppe fest. Dies zeigte sich vor allem in der vorderen Inselrinde (anteriore Insula), die bei Einsamen weniger aktiv war und sich nicht so ausgeprägt mit anderen Gehirnarealen vernetzte.

Es zeigte sich zudem, dass bei den von starker Einsamkeit betroffenen Personen die Stimmung nach dem Gespräch weniger positiv war als bei der Kontrollgruppe. Auch die Konzentrationen des Hormons Oxyto­cin veränderten sich weniger. Einsame Menschen hielten zudem eine rund zehn Zentimeter größere räumliche Distanz zur Versuchsleitung ein als die kaum von Einsamkeit Betroffenen.

„Die Ergebnisse zeigen insgesamt über die verschiedenen Aufgaben hinweg, dass mit chronischer Ein­samkeit ein reduziertes Vertrauen in Mitmenschen einhergeht“, fasst Scheele das wichtigste Ergebnis zusammen. Dies könne dazu führen, dass die Betreffenden Interaktionen mit anderen als weniger positiv erlebten – was wiederum den Kontakt zu anderen erschwere und die Einsamkeitsspirale verschärfe.

hil

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