Medizin

Hirnstammzellen über die ganze Lebensspanne über Interferon gesteuert

  • Freitag, 24. Februar 2023
/DCP, stock.adobe.com
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Heidelberg – Interferon reguliert offenbar die Aktivität und Selbsterneuerung der Hirnstammzellen während der gesamten Lebenspanne: In jungen Gehirnen steigert, im weniger aktiven alternden Gehirn dagegen drosselt es die Produktion von Nerven-Vorläuferzellen. Das berichtet eine Arbeitsgruppe vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Universität Heidelberg im Fachmagazin EMBO Molecular Medicine (2023, DOI: 10.15252/emmm.202216434).

Interferone sind Zellbotenstoffe, die bei einer Virusinfektion das Immunsystem ankurbeln und modulieren. Seit einigen Jahren ist darüber hinaus bekannt, dass Interferonsignale auch eine Ursache dafür sind, dass die Funktionsfähigkeit neuronaler Stammzellen mit dem Alter zurückgeht. Die Stammzellen, die im Gehirn für die Bildung neuer Nervenzellen zuständig sind, verlieren dann die Fähigkeit, ausreichende Mengen an Vorläuferzellen hervorzubringen.

Die Forschungsgruppe um Ana Martin-Villalba, DKFZ, und Anna Marciniak-Czochra, Universität Heidelberg, analysierte den Interferoneinfluss auf die Hirnstammzellen nun mit einer Kombination aus Einzelzellanalysen in Mäusen und mathematischen Modellierungen.

Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung fanden sie heraus, dass Interferonsignale nicht nur im Alter, sondern über die gesamte Lebensspanne hinweg die Aktivität der Hirnstammzellen beeinflussen, auch bereits bei jungen Tieren. Die Hirnstammzellen reagieren auf Interferon, Vorläuferzellen ab einem gewissen Entwicklungsschritt jedoch offenbar nicht mehr. Erst die ausdifferenzierten Neuronen sprechen wieder auf den Botenstoff an.

Die Interferone wirken dabei auf ein zentrales Steuermolekül der Proteinsynthese. Das hat zur Folge, dass Sox2 unterdrückt wird, ein essentieller Transkriptionsfaktor, der die Selbsterneuerungsfähigkeit von Stammzellen aufrechterhält.

„Die zweiphasige Interferonkontrolle der Aktivierung von Hirnstammzellen trägt offenbar dazu bei, die Produktion von Vorläuferzellen an den jeweiligen Bedarf anzupassen”, erklärt Martin-Villalba.

Die Wissenschaftlerinnen sehen in Interferon eine mögliche Zielstruktur für Therapien, die dem altersbedingten Abbau der Gehirnfunktion entgegenwirken könnten. Die Virusabwehr im Gehirn würde laut der Arbeitsgruppe dadurch nicht beeinträchtigt, da Hirnstammzellen diese Funktion unabhängig von der Anwesenheit von Interferon ausüben könnten.

Infektionen lösen laut den Forschern die zellinternen Interferonsignale aus, ohne dass dafür die Bindung von Interferon an seinen Rezeptor erforderlich ist. Dieser Trick sei bislang nur bei Hirnstammzellen bekannt, die sich damit vor Infekten schützten.

hil

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