HIV-Prävention: Vaginale Bakterien beseitigen Tenofovir

Seattle – Einige Bakterien der Vaginalflora sind in der Lage, das Virostatikum Tenofovir abzubauen. Die jetzt in Science (2017; doi: 10.1126/science.aai9383) vorgestellten Ergebnisse erklären, warum die HIV-Präexpositionsprophylaxe bei Frauen häufiger misslingt als bei Männern.
Klinische Studien haben gezeigt, dass Männer sich durch die Einnahme von antiretroviralen Medikamenten gut vor einer Infektion durch einen HIV-positiven Sexualpartner schützen können. Bei Frauen waren die Ergebnisse nicht so gut: Die Effektivität schwankte bei der oralen Anwendung von Tenofovir oder Tenofovir-Emtricitabin zwischen 49 Prozent in der VOICE-Studie und 75 Prozent in der TDF2-Studie. Bei Anwendung eines Vaginalgels der gleichen Wirkstoffe betrug die Schutzwirkung nur 0 Prozent (FACTS) bis 39 Prozent (CAPRISA). Die schlechteren Ergebnisse bei der vaginalen Anwendung wurden bisher auf die umständlichere Anwendung zurückgeführt, die die Compliance verschlechtert. Es scheint jedoch noch einen weiteren Grund zu geben, wie die Ergebnisse von Nichole Klatt von der Universität Seattle und Mitarbeitern zeigen.
Die Forscher haben die vaginale Flora von 688 Teilnehmerinnen der CAPRISA-Studie untersucht. Bei 60 Prozent der Frauen wurde eine „gesunde“ Flora mit Dominanz von Lactobacillus gefunden. Bei den übrigen 40 Prozent der Frauen hatten andere Bakterien, darunter vor allem Gardnerella vaginalis, die Milchsäurebakterien zurückgedrängt. Die Ausbreitung von Gardnerella vaginalis führt häufig zu Ausfluss und Beschwerden, was auch als bakterielle Vaginose bezeichnet wird.
Das ungesunde Scheidenmilieu wirkte sich auch auf die HIV-Prävention mit dem Vaginalgel aus. Bei Frauen mit Lactobacillus-dominanter Vaginalflora wurde eine Effektivität von 61 Prozent erzielt. Bei adhärenten Frauen stieg sie sogar auf 78 Prozent.
Frauen ohne Lactobacillus-dominanter Vaginalflora erreichten nur eine Schutzwirkung von 18 Prozent (die bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von minus 77 bis 63 Prozent nicht signifikant war). Auch eine gute Adhärenz konnte die Effektivität nur auf nicht signifikante 26 Prozent steigern. Für diese Frauen ist eine HIV-Prävention mit einem Tenofovir-haltigen Gel offensichtlich nicht geeignet.
Weitere Untersuchungen belegten, dass tatsächlich Gardnerella vaginalis für den Verlust der Schutzwirkung verantwortlich ist. Das Bakterium war in Laborversuchen in der Lage, Tenofovir zu inaktivieren, bevor der Prodrug-Wirkstoff von den Epithelzellen aufgenommen und in die aktive Form umgewandelt werden kann.
Die Studie wirft die Frage auf, ob der rasche Abbau von Tenofovir durch bestimmte Vaginalbakterien auch die geringere Schutzwirkung einer oralen Präexpositionsprophylaxe erklärt.
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