Hoppe warnt vor Missbrauch von IGel-Leistungen

Kiel – Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Jörg-Dietrich Hoppe, hat seine Berufskollegen aufgefordert, ihren Patienten keine Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL)aufzudrängen. „Ich weiß um die Not einiger Kollegen bei den IGeL-Leistungen, weil es nicht immer so einfach ist, eine genaue Grenze zu ziehen zwischen dem, was medizinisch notwendig ist, und dem, was von den Patienten als Wunschleistung gefordert wird und auch noch ärztlich empfehlenswert ist“, sagte Hoppe bei der Eröffnungsfeier des 114. Deutschen Ärztetags am Dienstag im Kieler Schloss.
Es dürfe aber auf gar keinen Fall passieren, dass der Eindruck entsteht, bei IGeL-Leistungen gehe es nur um zusätzliche Einnahmen. Hoppe forderte alle Ärzte auf, die Regeln für das Erbringen von individuellen Gesundheitsleistungen, die der 109. Deutsche Ärztetag in Magdeburg verabschiedet hat, konsequent umzusetzen. „Die Einhaltung dieser zehn Punkte - und das gebe ich Ihnen als kleines Vermächtnis mit – wird maßgeblich das Vertrauen der Patienten in uns Ärzte bestimmen“, sagte Hoppe unter dem Applaus der Delegierten.

Im Beisein des neuen Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) lobte Hoppe die Zusammenarbeit mit dem Ministerium.
„Über einen Erfolg bin ich auf diesem, meinem letzten Ärztetag als Präsident der Bundesärztekammer, besonders froh: die neue Dialogkultur mit dem Bundesministerium für Gesundheit, die Offenheit, mit der wir jetzt endlich über die Probleme reden können.“
Das sei nicht immer so gewesen. Jahrelang sei der freiberufliche Arzt erklärtes Feindbild staatsmedizinischer Doktrin gewesen. „Wir sollten nur noch als Ärzte der Krankenkassen arbeiten dürfen. Stellen Sie sich das mal vor – Kassenarzt der City BKK", sagte Hoppe.
Den Entwurf eines Versorgungsgesetzes, den das Gesundheitsministerium Ende vergangener Woche pünktlich zum Deutschen Ärztetag präsentiert hatte, lobte Hoppe in einigen Aspekten: „Wir finden Ideen wieder, die zukunftsfähig sind, sei es zum Berufsübergang vom Medizinstudium zur Niederlassung, zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder zur Sicherung der ärztlichen Freiberuflichkeit“. Auch der Vorschlag zur Optimierung der Entscheidungsstrukturen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sowie zum Bürokratieabbau sei grundsätzlich zu begrüßen.
„Allerdings wünschen wir uns vor dem Hintergrund der Intransparenz der G-BA-Entscheidungen eine stimmberechtigte Beteiligung der Bundesärztekammer", erklärte Hoppe unter dem Applaus der Delegierten. Zudem könne es keine wirkliche Modernisierung der Bedarfsplanung geben, wenn die Landesärztekammern bei den sektorenübergreifenden Koordinierungsstellen nicht beteiligt würden.
„Nur die Ärztekammern bringen die notwendige sektorenübergreifende Perspektive zur Bedarfsplanung ein. Nur sie verfügen über die übergeordnete Definitionskompetenz der Qualitätssicherung, mit denen das Versorgungsangebot maßgeblich gesteuert werden kann", so Hoppe. „Nur die Ärztekammern können das zentrale Bindeglied zwischen allen Ebenen der ärztlichen Versorgung sein.“
Klare Ablehnung der GOÄ-Offnungsklausel
Mit aller Deutlichkeit wandte sich der Ärztepräsident in seiner Rede noch einmal gegen die vom Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) geforderte Öffnungsklausel in der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Er warf den PKV-Unternehmen vor, die Rechtsverbindlichkeit der GOÄ auflösen und über die Öffnungsklausel Ärzte gegeneinander ausspielen zu wollen, um so mit Dumpingpreisen für ärztliche Leistungen ihre Rendite zu steigern.
Der Wildwuchs und die Gier in dieser Branche seien mittlerweile so groß, dass die Unternehmen selbst das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde um Hilfe gebeten hätten. Gleichwohl besäßen dieselben Leute die Unverfrorenheit, Ärzte täglich mit infamen Unterstellungen über Mehrausgaben an den Pranger zu stellen.
Hoppe erinnerte Bahr daran, dass dessen Amtsvorgänger Philipp Rösler (FDP) der Bundesärztekammer nach einer gemeinsamen Sitzung im August 2010 erklärt habe, dass der BÄK-Vorschlag zur GOÄ-Reform die Grundlage der anstehenden Novellierung bilden solle. „Jetzt erwarten wir allerdings auch Taten. Wir brauchen die Reform der Gebührenordnung jetzt, in dieser Legislaturperiode“, forderte Hoppe.
Auch in seiner letzten Rede als Präsident der Bundesärztekammer scheute sich Hoppe nicht, heiße Eisen anzufassen. „Für meine Forderung, Priorisierung vor dem Hintergrund der Ressourcenbergrenzung und steigender Behandlungsbedürftigkeit der Menschen offen zu diskutieren, bin ich hart geprügelt worden – nicht nur von meinen Feinden", sagte Hoppe.
Dennoch bleibe er dabei und wiederholte noch einmal: „Bei begrenzten Ressourcen und steigender Morbidität ist die Diskussion um die Priorisierung als Instrument der transparenten Verteilungsgerechtigkeit unabdingbar.“ Die Diskussion werde schon seit Jahren auf wissenschaftlicher Ebene geführt.
„Ich bin zuversichtlich, dass sie auch auf der politischen Ebene Platz greifen wird.“ Keiner, der ernst genommen werden wolle, leugne noch, dass es Rationierung in der Versorgung gebe. Bahr erklärte erneut, wie schon seit Amtsvorgänger Rösler vor einem Jahr, er wolle diese Debatte nicht führen: Die Finanzierung des Gesundheitswesens müsse so stabil gestaltet werden, dass Debatten über eine Rationierung oder Priorisierung unnötig werden, erklärte er.
Hoppe betonte, dass es bei der Hilfe für Sterbende zur Selbsttötung keine Kurskorrektur der Ärzteschaft gebe. „Es muss jetzt für jeden klar sein, dass Ärzte keinen Suizid unterstützen dürfen, denn Töten gehört nicht in das Handwerkszeug von Ärztinnen und Ärzten“, betonte er.
Dagegen hat die Bundesärztekammer ihre Position zur Präimplantationsdiagnostik (PID) verändert und plädiert nun für eine begrenzte Zulassung. „Ich habe immer wieder gesagt, dass es mir am liebsten wäre, es gebe weder die Pränataldiagnostik, noch die PID“, bekannte er. „Aber das eine bedingt das andere.“
Noch bis zum Freitag diskutieren die 250 Delegierten des Ärztetages über aktuelle und grundsätzliche Themen der Gesundheits- und Standespolitik, unter anderem über die Novellierung der (Muster-)Berufsordnung, Palliativmedizin und Präimplantationsdiagnostik.
Zudem wählen die Delegierten den Nachfolger von Hoppe als Präsident der Bundesärztekammer. Zum Schluss seiner Rede wünschte Hoppe seinem Nachfolger im Amt Kraft und Beharrlichkeit, für all das zu streiten, was diesen Arztberuf so schön macht – „und trotz der herausgehobenen Bedeutung dieses Amtes, Arzt zu bleiben.“
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