Hundertfacher Missbrauch: Behörde in Frankreich im Visier der Ermittler

Lorient – Nach der Verurteilung eines Klinikarztes in Frankreich wegen des Missbrauchs von knapp 300 meist minderjährigen Patienten hat die Justiz Ermittlungen wegen der Nichtverhinderung von Straftaten eingeleitet.
Ermittelt werde „wegen vorsätzlicher Unterlassung der Verhinderung von Verbrechen und Vergehen gegen die körperliche Unversehrtheit von Personen“, teilte Staatsanwalt Stéphane Schellenberger im westfranzösischen Lorient mit.
Die Ermittlungen werden gegen unbekannt geführt, im Visier aber stehen die Gesundheitsbehörden, Klinikverantwortliche und andere Ärzte.
Der Ende Mai zu 20 Jahren Haft verurteilte pensionierte Klinikarzt Joël Le Scouarnec (74) hatte gestanden, zwischen 1989 und 2014 158 Patienten und 141 Patientinnen im Durchschnittsalter von elf Jahren missbraucht zu haben.
Offen blieb, weshalb die Gesundheitsbehörden den bereits 2005 wegen Kinderpornografie auf Bewährung verurteilten Arzt nicht früher stoppen konnten. Einzelne seiner Kollegen schlugen zwar Alarm. Am Ende aber gab es keinerlei disziplinarische Konsequenzen für den Chirurgen, der damals zu einer anderen Klinik wechselte.
Frankreichs zuständige Ärztekammer hatte in dem Prozess „Fehlfunktionen und Versäumnisse“ eingeräumt. Die Anwältin der Kammer sagte, dass sie sich „persönlich manchmal für die Antworten geschämt habe, die uns die verschiedenen Verwaltungsbeamten aus dem medizinischen Bereich, die vor Gericht aussagten, gegeben haben“.
Sie fügte hinzu: „Ich habe mich geschämt, dass es schwierig war, auch nur die kleinste Verfehlung zuzugeben. Jeder Zeuge hat sich selbst aus der Verantwortung genommen.“
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